[youtube v1RI67PAUU4]
“Erinnerst Du Dich noch an die Diskussion Blogger vs. Journalisten?“, schrieb ich jüngst einem amerikanischen Bekannten, “in Deutschland wird sie immer noch geführt“. So war die gestrige Podiumsdiskussion zum Thema ein bisschen, wie mit Marty McFly und seinem Delorean ins Jahr 2005 zurück zu fliegen. Blogger vs. Journalisten ist vorbei, oder sollte es zumindest sein…ein Blick auf die fünf Punkte von Stephen Berlin Johnson von 2006 sollte eigentlich genügen.
“Wenn Du einen Artikel oder einen Blogeintrag über das Thema schreibst und Dein Argument sich um einen oder mehrere dieser Punkte dreht und nichts Substantielles hinzuzufügen hat“, schreibt Johnson, “HÖR AUF ZU SCHREIBEN. Such Dir ein neues Thema. Lauf weiter. Es gibt hier nichts zu sehen.”
Deshalb nur ein paar kurze Anmerkungen. Wer als Journalist glaubt, den Kulturwandel und die damit einhergehenden Änderungen unseres Berufsbilds mit Ignoranz und Kulturpessimismus aufhalten zu können, dem kann ich nur zum Abschied die Hand schütteln und “viel Glück“ wünschen. Die Zukunft wird solcher Vertreter unseres Berufs schon bald vergessen haben.
Es gibt – trotz des erst einmal ungewohnten Schmerzes, seine eigenen Fehler in den Kommentaren ausgebreitet zu sehen – eine ganze Reihe Journalisten, die sich darauf freuen, “the people formally known as the audience“ endlich kennenzulernen, von ihnen zu lernen, mit ihnen zu kommunizieren, mit einigen von ihnen zusammenzuarbeiten.
Diese Offenheit vermisse ich als Blogger bei vielen Journalisten, wie ich sie als Journalist bei vielen Bloggern vermisse. Mich persönlich langweilen die Untergangsvisionen, mit denen hier oft das Ende des Journalismus herbei geschrieben wird. Enthüllte Verfehlungen werden dankend als Beweis für die anstehende Marginalisierung der Medien ins Feld geführt; aber so wenig, wie es “die Blogosphäre“ gibt, gibt es etwas wie “die Medien“. Es gibt in vielen Redaktionen Probleme mit PR, schlechter Recherche und der Abhängigkeit von Quoten. Aber es finden sich trotz allem auch wichtige Enthüllungen, treffende Analysen, gute Geschichten und Beiträge, die Aufmerksamkeit, Zeit und oft sogar Geld wert sind (bzw. im Fall von Online – wären).
Wer nur die negativen Seiten sehen möchte und “den Journalisten“ pauschal fehlende Selbstreflexion unterstellt, kann und darf dies gerne weiter tun. Ersetzen wir “den Journalisten“ mit “den Bloggern“ und “Selbstreflexion“ mit “Relevanz“, sind wir vielleicht schon an dem Punkt, weshalb eine sinnvolle Diskussion auf beiden Seiten nicht möglich ist und wir uns in halbgefüllten Sälen durch Podiumsveranstaltungen mit sieben Diskutanten quälen müssen, die fast durchgehend aneinander vorbeireden.
Zu Schluss möchte ich nochmal auf den kurzen Jeff-Jarvis-Artikel zur Evolution des Journalismus hinweisen, dem ich absolut zustimme. Journalisten müssen nicht nur Reporter, sondern auch Moderatoren, Lehrer, Schüler, Filter, Partner, vor allem aber Bürger sein. Und wenn uns die Verlage dazu nicht die Möglichkeit geben, müssen wir Entrepreneure werden, unsere eigene Stimme zur Marke machen. Der Triumphzug des Internets nimmt den professionellen Journalisten vielleicht eine imaginierte Sicherheit – doch die Freiheit, die das Netz gibt, bietet dem Journalismus (oder wie auch immer wir das publizistische Phänomen nennen wollen) Chancen, die wir vielleicht noch nicht einmal erahnen. Egal, wer die Inhalte liefert.
Disclosure: Bei mir gibt’s drei Sachen auf einmal – ich bin freier Journalist (online für sueddeutsche.de), Blogger (hier an dieser Stelle) und DJV-Mitglied (die gibts noch!).
Heute wurde bereits viel zum Thema geschrieben (u.a. Uninformation, Thomas Knüwer, Irgendwasistimmer, Media Ocean, Burks)
[…] An einem lauen Januarabend des Jahres 2008 trug es sich zu, dass der Chef des deutschen Rabattclubs für Schreiberlinge (DJV), Michael Konken, Journalisten zu einem Bullshit-Bingo eingeladen hat. Lohnschreiberlinge durften dort dem seeligen Jahr 2005 gedenken, wo Reinhard Mohn’s Handlanger Hans-Ulrich Jörges noch ungestört leckere Rezepte von Medical One im Stern servieren konnte und Blogger zu den Lakaien der Milliardärspresse ehrfurchtsvoll aufgeschaut haben. […]
[…] [inspiriert durch: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9] […]
[…] als Blog zu bezeichnen, hatte ich wieder einmal den Glauben verloren: Werden wir niemals von Diskussionsstand und -tonalität von 2005 […]