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Fünf Parteien, fünf Probleme

Five Fingers
Welcher Handschuh passt? (pic: Eva the Weaver, Flickr)

Nun geht es den Parteien wie einst den Bundesbürgern mit den Postleitzahlen – aus vier mach fünf. Ähnlich wie damals in der Bevölkerung („oh nein, eine neue Nummer lernen!“) ist heute das Geschrei im politischen Betrieb groß. Was nach der Bundestagswahl 2005 noch verdrängt wurde, präsentiert sich bei der Hamburger Bürgerschaftswahl als schlichte Realität: Die alten Bündnisse haben ausgedient, wer regieren will, muss Ideale, Ideologien oder vielleicht einfach Denkverbote über Bord werfen. Und das macht den Politikern der Berliner Republik schwerer zu schaffen, als man glaubt.

So gilt Guido Westerwelle, Erfinder der Spaßpartei und des Guidomobils, in der FDP plötzlich als Fortschrittsbremser. Seine Nibelungentreue zu Schwarz-Gelb (Ausnahme Rheinland-Pfalz) wird in der Partei schon lange nicht mehr kritiklos hingenommen – die anhaltende programmatische Schwäche der Liberalen trägt ein Übriges dazu bei, dass Westerwelle 2009 alle Hände voll zu tun haben wird, die Basis vor der Bundestagswahl auf seine bürgerliche Koalitionsaussage einzuschwören. Sollte das Bündnis nicht zustande kommen, wäre er politisch schlicht erledigt (allerdings hätte er bei Schwarz-Gelb auch viel zu gewinnen, zum Beispiel den Außenministerposten).

Auch die anderen Parteien tun sich schwer mit neuen Horizonten: Bei den Grünen herrscht immer noch der Fundi-Realo-Krieg, der durch die anstehenden Avancen der Hamburger CDU noch angeheizt werden wird. Ein Blick nach Jamaika könnte bundesperspektivisch durchaus lohnen – doch der aufgezwängte Pragmatismus der rot-grünen Regierungsjahre hat tiefe Furchen im Parteigesicht hinterlassen; statt diese zu glätten, finden sich die Bündnisgrünen seit 2005 in Grabenkämpfen, Personalquerelen und Programm-Schnitzeljagden wieder.

Die SPD hat solche Streitereien hinter sich gelassen – glaubte man zumindest, bis der Vorsitzende Kurt Beck mit seinem freiwillig-unfreiwilligen Linksruck neue Fragen nach Parteiidentität und Führungskompetenz aufwarf. Ob die Turboanerkennung der Linkspartei die SPD näher an die Macht bringen wird und vielleicht sogar dem geheimen Wunsch der Basis entspricht? Die Entscheidung über die nähere Zukunft der Sozialdemokraten liegt nun erst einmal bei der hessischen Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti; sollte sie sich von der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen, dürften die sprichwörtlich gewordenen “roten Socken“ zum beherrschenden Motiv der bundesrepublikanischen Plakatwände bis 2009 werden.

Die Union würde sich über eine solche Steilvorlage freuen – wird so doch die Identitätskrise der Konservativen verdeckt, die sich in den vergangenen Monaten im überzogen rechtslastigen Hessen-Wahlkampf und dem schmerzvollen Erlahmen des Wirtschaftsflügels spiegelte. Hier gilt die gerade von mir erfundene politische Weisheit: Die Macht beugt Zerfallserscheinungen nicht vor, ist aber immer noch das beste Schminkprodukt…oder so ähnlich. Zerfallserscheinungen hat die Linkspartei zwar nicht zu fürchten, doch auch sie ist mit ihrer Mischung aus West-Gewerkschaftlern, Ost-Gestrigen und einigen Pragmatikern trotz aller Wahlerfolge noch nicht viel mehr als ein buntes Konglomerat, dem es im Kern an Stringenz, gemeinsamer Identität und fähigem Personal fehlt.

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