Der Sturm, die Folgen und die Machtlosigkeit (via Azmi77, Flickr)
Selbst wenn wir noch so sehr suchen würden: Für das menschenverachtende Verhalten der Militärregierung von Myanmar in der aktuellen Notlage des Landes gelten weder Entschuldigungen noch Relativierungen.
Erklärbar ist die Junta-Politik allerdings, sogar mit einem einzigen Wort: Paranoia. Die betrifft nicht nur den tatsächlichen Verfolgswahn, unter dem Militärdiktator Than Shwe angeblich leidet, sondern auch ein Misstrauen gegenüber fremden Mächten, die sich schon vor dem Putsch des Militärs in den Geisteszustand des Landes eingebrannt hatte.
Seit dem 11. Jahrhundert war das birmanische Reich eine Macht, die zwischen eigenem Machtausbau und den Begehrlichkeiten des großen Nachbarn China schwankte. Der sich herausbildende Nationalstolz sorgte auch dafür, dass eine Guerilla-Bewegung im Land den Briten höchste Anstrengungen abverlangte, bevor diese 1885 König Thibaw absetzten und damit das koloniale Zeitalter einleiteten. Myanmar war nun zum Spielball fremder Mächte geworden, was sich darin wiederspiegelte, dass die buddhistische Religion einen stark nationalistischen Unterton erhielt (und in vielen Fällen mit Aberglauben durchtränkt wurde, einer anderen Form des Misstrauens gegenüber rationalen Kräften).
Die Ausbeutung der Rohstoffe sorgte zwar in den 1920er und 30ern für relativen Wohlstand, die Bildung einer staatstragenden Klasse verhinderte die Fremdherrschaft jedoch. Die Besatzung durch Japan im zweiten Weltkrieg gehört zu den grausamsten Perioden des Landes, doch hatte der spät einsetzende Widerstand zwei Dinge zur Folge: Eine Erstarkung des Nationalismus und die Überschwemmung des Landes mit Waffen. Letztere sorgten nach der Unabhängigkeit von Großbritannien 1948 (als großer Sieg der Nation gefeiert, in der Tat aber eine Trennung im Rahmen der britischen Indienpolitik) dafür, dass trotz einer kurzen demokratischen Phase niemals Ruhe im Land einkehrte und 1962 das Militär die Macht an sich riss, wo es sich seitdem hält, inzwischen unter internationaler Isolation, aber unter Duldung der Staaten der Region.
Dieser Blick auf das südostasiatische Land in einem historischen Kontext rückt zwei Dinge in den Mittelpunkt: Durch die geschichtlichen Erfahrungen der vergangenen 125 Jahre wird Myanmar nicht von heute auf morgen an die Vorteile der internationalen Verflechtung überzeugt werden. Dies drückt sich auch in der Haltung der Militärregierung zu den aktuellen Hilfslieferungen, noch stärker aber in der Akzeptanz eines wirtschaftlichen Isolationsimus aus, den die Junta in ihrem Überlebenswillen meiner Meinung nach sogar noch durchzustehen versuchen würde, wenn China das Land nicht mehr unterstützte – mit der Folge, dass Birma noch weiter in Elend und Chaos versinken würde.
Wieder einmal zeigen sich die dunklen Folgen des europäischen Kolonialismus, der nicht nur zu einem tiefen Misstrauen gesorgt hat, sondern auch den Grundstein dafür gelegt hat, dass die Junta quasi die einzige Schicht im Lande zu sein scheint, die fähig ist, Myanmar zu lenken. Selbst das Durchspielen einer Utopie macht da wenig Mut: Sollte das Regime fallen, dürften aus der 492.000 Mann starken Armee zahlreiche Splittergruppen entstehen, deren Warlord-Gebieten erst einmal keine UN-Mission der Welt Herr werden könnte (ganz zu schweigen von einer neuen Regierung unter Aung San Suu Kyi, deren Partei auch zu einem guten Teil aus ehemaligen Militärs besteht). Als wären die Schäden, den die Natur und die verbrecherische Militärregierung angerichtet haben, nicht groß genug – selbst Revolutionsszenarien können dem Volk von Birma momentan nur wenig Trost bieten.
Danke für den spannenden und aufschlußreichen Artikel. Ich bin zutiefst erstaunt, dass ich sowas nicht in der aktuellen Berichterstattung sondern in einem Blog finde. Eigentlich bin ich doch nicht erstaunt. Eigentlich freue ich mich. Danke.
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