Zensus-Blödsinn ins Rampenlicht? (via Mace2000, Flickr)
Im Spiegelfechter gibt es einen Beitrag zu lesen, bei dem ich hin- und hergerissen bin. Vorab: Ich schätze viele Postings des Spiegelfechters, finde aber seine moralgetriebene Polemik oft etwas über-trieben.
Als ich den Artikel zu den Forderungen des RCDS-Vorsitzenden Gottfried Ludewig nach einem neuen Klassenwahlrecht (Doppelstimme für Leistungsträger) sah, dachte ich im ersten Moment an einen Scoop, ja, den ersten richtig politischen Scoop der deutschen Blogosphäre – mit einer von den Mainstream-Medien vernachlässigten Äußerung hatte es ja auch bei Trent Lott angefangen. Und immerhin sitzt Ludewig im CDU-Bundesvorstand, wenn auch nur satzungshalber.
Auch der für solch geschichtliche Anlässe passende Pathos findet sich im Beitrag mit der Forderung “Herr Ludewig – treten Sie zurück und zwar sofort’!“, einige andere Blogs kommentieren entrüstet bis hämisch. Doch neben dem guten Eindruck, dass hier zarte Pflänzchen der Politisierung keimen, schleicht sich auf den zweiten Blick ein komisches Gefühl ein, das auch schon einige Kommentatoren in den Blogs benannt haben: Wenn der gute Herr Ludewig schlicht auf Schock-Publicity aus war, um seinen Namen schon einmal in das kollektive Mediengedächtnis einzuprägen, ist ihm dies in den Blogs nun gelungen. Zur Rolle des allgemeinen Erheiterers bei Anne Will hatte es ja zuvor schon gereicht (also hatte sie eigentlich den “Scoop“).
Die Eigen-PR einer Figur, die es politisch nicht einmal zum F-Promi bringt, lässt sie also für einen Tag zum Gesprächsthema werden. Reingelegt? Klar ist: Die Vorschläge des Studi-Politikers sind so verfassungswidrig wie hirnrissig, das angedeutete Weltbild lässt den Beobachter in ungläubigem Erstaunen zurück. Weil die Mainstream-Medien das Thema bislang fast durchgehend vernachlässigen, ist der laute Aufschrei gerechtfertig.
Doch vielleicht haben die Mainstream-Medien, eventuell unabsichtlich, ebenfalls das Richtige getan: Sie haben einem politischen Akteur, der mit billigsten Mitteln ins Rampenlicht drängte, selbiges schlicht abgedreht. Sei’s drum: Wenn sich die Blogs öfter politisch echauffieren und die MSM gleichzeitig öfter und konsequenter diverse Selbstdarsteller links liegen lassen würden – ich wäre zufrieden.
Auch wenn ich den Wunsch nach einem Rücktritt Ludewigs nie geäußert habe, trägt nun der RCDS Bonn zu meiner Erheiterung bei, indem er den Rücktritt des Enfant Terrible fordert. Ich unterstelle allerdings nicht das zarte Aufkeimen eines Rests von Anstand, sondern allein die Absicht, weiteren Schaden vom Verein abzuwenden.
Das Motto, auch schlechte PR sei gute PR, wird allgemein überschätzt. Ob der Mann tatsächlich zurücktritt kann dahingestellt bleiben. Einen Gefallen hat er sich mit dieser Aktion wohl nicht wirklich getan.
Danke für den Hinweis, hab den Rücktrittswunsch-Teil etwas geändert. In der Tat setzen jetzt die klassischen Mechanismen der „Schadensabhaltung“ ein.
Dennoch zeigt ja das Modell Missfelder, dass kontroverse Thesen der Karriere von Jungpolitikern durchaus förderlich sein können und der Gang durch das „Medienstahlbad“ das eigene Profil in der Partei schärft. Ist halt immer eine Frage, wie klug oder blöd man sich dabei anstellt.
[…] Thesenpapier hat er verfasst). Manche gönnen ihm die Negativ-Presse nicht und wollen ihm das Spotlight abdrehen, sprich die Aufmerksamkeit entziehen, die ihm in der Blogosphäre zuteil […]
Die Missfelder-These, nach der man wohl künstliche Hüftgelenke besser in agile Jungpolitikerbecken implantieren soll, als in morsche Rentnerknochen, sind freilich nicht minder menschenverachtend, als die Absonderungen von Gottfried Ludewig.
Der Unterschied liegt schlicht in der Größe der Zielgruppe. Missfelder hat unsere Rentner gegen sich aufgebracht. Ludewig richtet sich gegen alle, die nicht jung und gut situiert sind. Er setzt auf eine schwindende Minderheit, die Tag für Tag einen sozialen und finanziellen Abstieg befürchtet und damit aus seinem Raster fallen würde. Ihm fehlt die schweigende Mehrheit, die Missfelder insgeheim zustimmte.
[…] frage mich nicht zum ersten Mal, wie es in den aktuellen und ehemaligen Führungszirkeln der Jungen Union um Menschenliebe und […]