Die Gründe für den Rauswurf des überbewerteten Ex-Ministers Wolfgang Clement aus der SPD sind fadenscheinig: Die Lobbyarbeit des ehemaligen Landesvaters hat den Sozialdemokraten weit mehr geschadet als seine Angriffe auf Parteifreunde.
Zu Verzweiflungstaten bereit? (Foto via Tomas Caspers, Flickr)
Bevor die Hitze des Sommerlochs das politische Deutschland komplett paralysiert, sorgt die Personalie Wolfgang Clement nochmals für einen Windhauch der Aufregung. “Endlich isser weg, der Verräter unserer Werte“, freut man sich links, während sich die Mitte wundert, wohin die SPD, die sie einst wählte, driften wird.
Aus der Nähe betrachtet, ist der Wind allerdings eher ein laues Lüftchen. Nicht nur, weil die Bundesschiedskommission die Entscheidung aus NRW revidieren dürfte: Wolfgang Clements Leistungen werden generell überschätzt. Als NRW-Ministerpräsident gab er den Modernisierer, das ambitionierteste Projekt seiner Amts blieb jedoch der Umzug der Staatskanzlei ins protzige Düsseldorfer Stadttor; die angeschobene Verwaltungsreform versandete, die Etablierung NRWs als Medienstandort blieb ein hochsubventioniertes Zuschussgeschäft.
Als Wirtschafts- und Arbeitsminister war die Agenda 2010 Clements folgenreichstes Projekt, unter der schlampigen Umsetzung durch Bundesregierung und Bundesagentur für Arbeit leidet das Land allerdings noch heute. Das Mammutwerk verdeckt im Nachhinein, dass Clement im Berliner Alltagsbetrieb vor allem durch blinden Aktionismus auffiel. Die medial propagierten Schnapsideen des Ministers wurden bald zur sprichwörtlichen Clement-Sau, die mindestens einmal pro Woche durchs politische Dorf gejagt wurde.
Der Ausschluss Clements ist nicht bemerkenswert. Falsch ist er, weil die Begründung fadenscheinig wirkt. Größeren Schaden als mit seinen Äußerungen hat Clement mit seiner post-ministeriellen Karriere angerichtet: Als Lobbyist für RWE und die Zeitarbeitsfirma Adecco beweist er das moralische Feingespür eines Feudalherren. Ähnlich wie seine ehemaligen Regierungskollegen Schröder, Schily, Koch-Weber, Halsch und Schlauch hat er zu einem posthumen Ansehensverlust der rot-grünen Regierung beigetragen, dessen Folgen bis tief ins eigene Klientel nachwirken.
Die Entscheidung der NRW-SPD ist eine direkte Reaktion auf das sinkende Vertrauen der Stammwählerschaft in der “Herzkammer der Sozialdemokratie“, die allerdings vor allem die personellen und programmatischen Schwächen des Landesverbands ins Blickfeld der Öffentlichkeit rücken wird. Anstatt das Nachtreten des Ex-Landesvaters im Hessen-Wahlkampf zu bestrafen, hätten die Genossen auch pragmatisch reagieren können: Mit der Nichtbeachtung eines aufmerksamkeitssüchtigen Ex-Politikers und konkreten Vorschlägen zu einer zweijährigen Lobbyjob-Sperrfrist für abtretende SPD-Entscheidungsträger auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene.
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