Der 700-Milliarden-Dollar-Plan der US-Regierung bringt nur Zeit vor dem nächsten Absturz. Doch weil Washington Mutual vor dem Kollaps steht, könnte der Kongress gezwungen sein, einzulenken.
Henry Paulson: Würden Sie diesem Mann Ihr Geld anvertrauen? (via kilnishi, Flickr)
Da ich eigentlich noch im Urlaub weile, nur ein paar kurze Worte zur US-Bankenkrise: Die Lage ist ernst, doch das Rettungspaket von US-Finanzminister Hank Paulson zeigt wieder einmal die Makel der Politik der Bush-Administration – so kurzsichtig das Programm des Finanzministers ist, so rücksichtslos versucht er, in Zeiten der schwersten Krise seine Macht zu konzentrieren.
Über die Kurzsichtigkeit haben andere Blogs bereits geschrieben: Die US-Regierung kauft den Banken faule Kredite in Höhe von 700 Milliarden Dollar ab, um die Austrocknung des Kreditmarktes zu verhindern und die Bilanzen der Kredithäuser zu entlasten. Damit dürften genau die Banken aus dem Sumpf gezogen werden, die am rücksichtslosesten spekuliert hatten. Mögliche Strafen für die Verantwortlichen? Bislang ebenso wenig vorgesehen wie eine Rückzahlung, falls der Staat die erstandenen Papiere nur unter Wert weiterverkaufen kann.
Die Regierung verschafft den Banken die Möglichkeit, sich des Bilanzschimmels preiswert zu entledigen. Damit kauft sie sich vor allem Zeit – über eine neue Blase, zum Beispiel im Bereich der Konsumentenkredite für die bereits jetzt hoffnungslos überschuldeten US-Privathaushalte. Direkte Hilfen für Immobilieneigentümer, die ihre Schulden nicht mehr bedienen können, wären hier ehrlicher und wahrscheinlich sinnvoller gewesen. Das strukturelle Problem der Überschuldung des privaten Sektors wird mittelfristig zum nächsten großen Knall führen – die 700 Milliarden Dollar Staatshilfen an die Banken, die das Haushaltsdefizit und damit die Inflation weiter steigen lassen werden, werden nur der Anfang eines viel größeren Bail-Outs sein. Bis dahin bezahlen die USA mit einem weiter sinkenden US-Dollar und der möglichen Reserve-Teilumschichtung von einflussreichen Stützländern wie China einen hohen Preis für die Wall-Street-Exzesse der vergangenen Jahre.
Neben der Fehlerhaftigkeit des Plans zeugt auch die Herangehensweise Paulsons vom Scheitern der Bush-Administration auf einem weiteren Gebiet: Ähnlich wie nach 9/11 (hier aber, liebe politische Feuilletonisten, enden allerdings die Vergleiche) möchte die Regierung den Plan mit einem “Wer nicht für uns ist, ist gegen uns und unpatriotisch“ durch den Kongress peitschen. Dass dieser danach ebenso wenig Einfluss und Prüfmöglichkeit auf die Verwendung der 700 Milliarden wie die Gerichte hat, ist ein schlechter Scherz; dass mit Hank Pauson ein ausgesprochener Wall-Street-Freund am Werk ist und durch die Intransparenz Korruption und Hinterzimmer-Absprachen Tür und Tor geöffnet ist, ist eher zum Heulen.
Dennoch könnte Paulson mit seinem Plan durchkommen, wenn der Druck auf den Kongress steigt, das Gesetz im Schnelldurchgang durchzuwinken. Ein mögliches Szenario: In sehr wenigen Tagen droht der Kollaps von Washington Mutual, der Einlagensicherungsfonds FDIC könnte die Ausfälle nicht decken – und müsste vom Staat gerettet werden. Währenddessen würden Millionen von Amerikanern in Angst um ihre Einlagen vor der Filiale ihrer Bank anstehen – ein Szenario wie zu Beginn der Großen Depression 1932. Da kein Abgeordneter an einem solchen Domino-Stoß schuld sein möchte, stimmt der Kongress Paulsons Programm mit der Pistole auf der Brust (und mit kleinen symbolischen Ergänzungen zu Managergehältern u.ä. in der Tasche) zu, der erste Bail-Out im Rahmen des 700-Milliarden-Dollar-Programms ist Washington Mutual, die – vom Staat gesichert – an einen Kokurrenten verkauft wird.
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