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Bailout, die Fortsetzung: Nicht alternativ-, sondern planlos

Der Paulson-Plan wird verabschiedet werden, weil die US-Regierung keine Alternativen in der Tasche hat. Schade, denn die gibt es.

Möge seinem Nachfolger mehr Talent beschieden sein (via Flickr, Atomische.com)

Es ist anders gekommen, als ich in meinem Szenario weiter unten skizziert habe: Das Repräsentantenhaus hat den Paulson-Rettungsplan abgelehnt, Washington Mutual ist zusammengebrochen und inzwischen ein Teil von JP Morgan. Doch auch ohne die Aussicht auf Schlangen vor den Banken ist der Druck inzwischen groß genug: Noch diese Woche wird das Repräsentantenhaus einer abgeänderten Version des Plans zustimmen.

Das liegt auch daran, dass nie eine Alternative auf dem Tisch lag. Der Plan von Fed und Bush-Administration für den Fall eines weiteren Scheiterns? Es gibt keinen. Die Finanzpolitik der US-Regierung präsentiert sich in den letzten Zügen der Bush-Ära hilflos, hoffnungslos. Die Banken werden ihre lausigsten Werte an den Staat verscherbeln und damit noch einen mehr als gnädigen Preis erhalten (das erklärt auch, weshalb sich Paulson so gegen die juristische Verantwortung sträubt: Er MUSS quasi Steuergelder verschwenden, um das System zu retten). Das wird kurzfristig die Symptome behandeln, die Ursache bleibt aber unangetastet.

Es gäbe Alternativen: (A) Ein direkter Eingriff durch einen staatlichen Fonds, der Bankaktien (z.B. als Vorzugspapiere) kauft und dem Sektor damit die Liquidität injiziert, die der freie Markt im Moment nicht hergibt. Das wäre eine ehrlichere, schmerzlosere und wahrscheinlich deutlich profitablere (bei späterem Verkauf) Lösung, ist aber in den USA nicht durchzusetzen.

(B) Die USA könnten die Immobilienpapiere als Sicherheit für Staatskredite nehmen. Kombiniert mit niedrigen Zinsen würde das den Banken die Zeit geben, ihre Geschäfte in Ordnung zu bringen. Die strukturelle Eigenkapitalschwäche vieler Banken kann dieser Eingriff allerdings nicht beseitigen.

(C) In einer anderen Variante könnte der Gesetzgeber die Banken zwingen, ihre faulen Immobilienkredite offenzulegen und dann die entsprechenden Grundstücke kaufen. Weil noch niemand weiß, wie sehr es in den Büchern modert, wären komplexe Regeln notwendig – doch alles ist transparenter als ein 700-Milliarden-Dollar-Blankoscheck für Henry Paulson. Zudem wäre die Möglichkeit gegeben, dass die Grundstücke später an Wert gewinnen und auf einem erholteren Markt verkauft werden könnten

Auch die genannten Alternativen sind nicht risikolos, doch dem Markt fehlen zwei Dinge: Liquidität und Vertrauen. Erstere könnte bedingt über den Paulson-Plan und die von mir genannten Aktionen geschaffen werden. Da es dem Sektor an Eigenkapital mangelt, wäre eine (A) die in dieser Hinsicht kräftigere Variante. Für die Stützung der Liquidität, die nicht zuletzt durch Geldflucht der Kunden bedroht ist, ist die Höhe der Garantiesummen für Einlagen auf 250.000 Dollar, wie sie der aktuelle Plan vorsieht, ein psychologisch richtiger Schritt. Eine Komplettgarantie wie in Irland ist nicht möglich, dass die FDIC beim US-Finanzministerium unbegrenzt Kredit bekommt, zeigt, wie ausgetrocknet der Geldtopf des eigentlichen Einlagenversicherers bereits ist und dass man bereit sein wird, die Garantiesummen notfalls nochmals zu erhöhen (oder wirklich mit weiteren großen Zusammenbrüchen rechnet).

Weitere Stützpfeiler zur Eindämmung der Krise sind Aussetzung der Bewertung von Hypothekenpapieren nach Marktpreisen (via weissgarnix) zugunsten von einer Bilanzierung nach Anschaffungskosten – mittelfristig ist es wahrscheinlich sogar die einzige Alternative, die Bücher der Kredithäuser irgendwann einmal wieder in einen halbwegs annehmbaren Zustand zu bringen. Die Rückkehr zur Uptick-Rule sollte ebenfalls schnellstmöglich beschlossen werden, um Lawineneffekte bei Finanztiteln zu verhindern Für die überschuldeten Immobilienbesitzer würde ein sechsmonatiges Pfändungs-Moratorium dabei helfen, die schwersten sozialen Verwerfungen erst einmal zu verhindern und über die Stärkung der Nachfrageseite zu beraten.

Es gibt Möglichkeiten, eine neue Große Depression zu verhindern. Der Paulson-Plan trägt nur wenig dazu bei. Weil er aufgrund der Unfähigkeit der US-Regierung in der politischen Praxis alternativlos ist, sollte er zumindest mit genügend Transparenz ausgestattet sein und dem Steuerzahler zumindest die theoretische Möglichkeit geben, nicht alleine für das Malheur der Wall Street gerade stehen zu müssen.

Dennoch muss Washington bereits jetzt weiterdenken: Die erste Maßnahme des neuen Präsidenten sollte sein, sofort nach der Wahl gemeinsam mit dem Noch-Amtsinhaber eine überparteiliche und branchenunabhängige Kommission für Reformen im Finanzwesen einsetzen, deren (international abgestimmte) Ergebnisse im ersten Quartal des nächsten Jahres umgesetzt werden sollten. Der Finanzsektor muss nun gerettet werden; es darf ihm allerdings nie mehr ermöglicht werden, die gesamte Wirtschaft in Geiselhaft zu nehmen.

2 Gedanken zu „Bailout, die Fortsetzung: Nicht alternativ-, sondern planlos“

    […] Premier Gordon Brown nimmt die große Kelle und hat sich, wie unten in (A) von mir vorgeschlagen, für den Einstieg des Staates in die britischen Bankenbranche entschieden. […]

    […] dem Bail-Out möchte sich auch eine andere Gruppe immer lauter Gehör verschaffen: Die Libertären, die jegliche […]

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