Brown probierts, Steinbrück versagt, Island steht ein kalter Winter bevor. Und jetzt wird auch noch um’s Gold gezockt. Gedanken zur Finanzkrise.
Des Zocker’s neuestes Spielzeug? (via Swamibu, Flickr)
Das Rad dreht sich immer schneller und immer mehr Aspekte der Bankenkrise kommen zum Vorschein. Das Schlimme: Es dreht sich in die falsche Richtung. Ein paar Anmerkungen eines Nicht-Finanzexperten:
1. Die Hilflosigkeit der Akteure
Die Unfähigkeit, das Ausmaß der eigenen Handlungen zu erfassen wurde bislang vor allem der Gilde der Investmentbanker zugeschrieben. Ich möchte zwei Kategorien hinzufügen: Die erste ist die Unfähigkeit, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Unter sie fallen im Moment vor allem Hank Paulson und Ben Bernanke.
Zum Mega-Bailout habe ich meine Meinung schon weiter unten kundgetan; die Effekte auf Liquidität und Marktvertrauen geben mir Recht – es gibt keine messbaren. Nun versuchen die Notenbanken konzertiert die Leihbereitschaft durch Zinssenkungen zu erhöhen. Doch der Zinszug ist längst abgefahren, der Effekt wird verpuffen. Herr Paulson macht derweil einen 35-Jährigen Ex-Goldman-Sachser mit dem Spitznamen „Cash Carry“ zum Verwalter des Milliarden-Bailout-Fonds und beweist, dass in der Bush-Administration persönliche Beziehungen schon immer mehr als Können zählten.
Die dritte Kategorie ist die der Unfähigkeit, überhaupt die Lage zu durchblicken. Hier ist die Bundesregierung zu nennen: Markige Rhetorik, Herr Steinbrück, macht noch keinen Krisenmanager. Abwicklung der HRE? Schirm über den Finanzsektor? Festhalten am Haushaltsziel? Die Überforderung des Hanseaten ist inzwischen deutlich sichtbar, der schlecht verhandelte HRE-Deal und das peinliche Platz-Szenario lassen Zweifel an der Krisentauglichkeit des Finanzministeriums (und der Bilanzlesekünste von Bankern, wenn die Risiken bereits Tage vorher in einem – zugegeben ausgezeichneten – Blog zu lesen sind). Angela Merkel steht dem in nichts nach: Verbale Einlagensicherung und das Fazit, dass keine neuen Gesetze zur Belangung der Geldverschwender nötig seien – eine Finanzexpertin wird die Kanzlerin nicht mehr. Ebenso wenig wie aus Wirtschaftsminister Michael Glos ein Wirtschaftsexperte wird. Aber gibt’s meinen fränkischen Landsmann überhaupt noch?
2. Island
Dass das isländische Bankensystem zusammenbrechen würde, war nicht unrealistisch – die Wucht der Implosion dennoch überraschend. Einen ordentlichen Anteil daran hat Langzeit-Premierminister David Oddsson, der während seiner Amtszeit den Finanzsektor dereguliert und die halsbrecherischen Carry-Trades erst möglich machte. Seit einigen Jahren ist er übrigens – man ahnt es – isländischer Zentralbankchef. Wie es weiter mit Island geht, ist schwer abzusehen. Im Hinblick auf die geothermalen Energiequellen und die Wasserkraft des Landes könnte ein Einstieg für Russland im Hinblick auf die Entwicklung dieses Sektors durchaus lohnen. Allerdings halte ich auch eine skandinavische Lösung für möglich.
3. Browns Plan
Großbritanniens Premier Gordon Brown nimmt die große Kelle und hat sich, wie unten in (A) von mir vorgeschlagen, für den Einstieg des Staates in die britischen Bankenbranche entschieden. Wird das reichen?
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, denn der britische Finanzsektor ist eng mit dem Rest Europas, nicht zuletzt Irland, verwoben. Solange dort kein Vertrauen einkehrt (daher auch der ursprüngliche gesamteuropäische Sarkozy-Plan) und die faulen Kredite weiter still in den Büchern schlummern, könnte die Aktion eines einzigen Landes nicht ausreichen, um sich abzusichern. Immerhin zeigt Brown mit seinem Schritt Mut zum Handeln – etwas, das der deutschen Politik bislang abgeht.
4. Die Gold-Frage
Der Goldmarkt ist äußerst spannend. Eigentlich müsste in einer solchen Situation dieser Edelmetallpreis explodieren. Tatsächlich steigt die Nachfrage nach physischem Gold, wie Egghat schreibt, auch der Kurs zog heute an.
Anders stellt sich die Lage bei den Futures dar: Die steigen nämlich weit weniger steil. Der Grund ist einfach: Es gibt nicht genügend tatsächliches Gold, um die Kontrakte zu bedienen. Wenn der physische Bedarf die gehandelten Kontrakte übersteigt, werden die jetzigen Wetten in der Comex im Dezember in Papiergeld beglichen – zu weit niedrigeren als den physischen Marktpreisen und in einer inflationsgeschädigten Währung, dem Dollar. Eigentlich für Spekulanten eine gute Möglichkeit, in den kommenden Wochen dem Wachsen der Panik-Goldrausch-Blase zuzusehen, auf Short Positions zu setzen und dann den Markt aufgrund des Mangels an physischem Gold zusammenbrechen zu sehen.
Geht nicht? Drei ungenannte US-Banken haben den Markt für Gold-Futures bereits im August zum Zusammenbruch gebracht, vielleicht unter Mitwisserschaft der Fed, da ein schwacher Goldmarkt den Dollar stützt. Ob der Markt solche Zockereien noch mitmacht? Möglicherweise, denn der Herdentrieb dürfte sich aufgrund der fehlenden Ertragsmöglichkeiten in der Branche sogar verstärkt haben – und manch einer mag durchaus hoffen, dass die Papiergold-Blase etwas länger hält und auf Long Positions setzen. Die Frage ist allerdings, ob überhaupt noch Geld für solche Spielchen da ist.