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Ein Notenbanker trauriger Gestalt

Ben Bernanke
Sein Ansporn war seine Überzeugung, dass die Welt seine unmittelbare Gegenwart benötigte“ (via trackrecord, Flickr)

Wann immer ich Ben Bernanke reden höre oder seine Entscheidungen sehe, bin ich unschlüssig. Weiß dieser Mensch, was er tut? Ist er der Retter oder der Totengräber der amerikanischen Volkswirtschaft?

Die Lektüre eines äußerst empfehlenswerten Porträts im New Yorker kommt mir deshalb wie der Schlüssel zu Bernankes Verhalten vor, auf den ich lange gewartet habe. Auf 15 Seiten breitet Autor John Cassidys den Werdegang des Fed-Chefs aus und verknüpft ihn mit den Ereignissen der vergangenen 18 Monate. In wenigen Sätzen bringt er das ganze Dilemmas des 54-Jährigen auf den Punkt:

Bernanke, working closely with Henry (Hank) Paulson, the Treasury Secretary, a voluble former investment banker, was determined to keep the financial sector operating long enough so that it could repair itself—a policy that he and his Fed colleagues referred to as the ‚finger-in-the-dike‘ strategy.

Die Selbstreparatur ist fehlgeschlagen, wie wir inzwischen wissen. Der Deich hat so viele Löcher, dass Bernanke sich nun “neue Finger” machen muss – in Form von grünen Scheinen. Mag die Rettung von Bear Stearns (die ich kritisch gesehen habe) noch einem Plan zugrunde gelegen haben, haben Konsistenz und Nachvollziehbarkeit der Fed-Entscheidungen inzwischen ständig abgenommen. Die aktuelle Politik erscheint mir schlicht und einfach wie eine Strategie des Betens.

Der zukünftige Kurs der Fed könnte folgendermaßen aussehen: Als Inflationsexperte wird Bernanke alles daran setzen, eine lange und lähmende Deflation wie in Japan zu verhindern. Dafür reicht es nicht mehr, die Finanzbranche zu “beglücken”. Auch wenn der Staat inzwischen schon Garantien in Höhe von 8,5 Billionen Dollar übernommen hat; ­ die Umschichtung des Paulson-Plans und die Garantien für Kleinkredite lassen ahnen, dass es nun auch darum gehen wird, den amerikanischen Konsumenten mit neuen Krediten “rauszuhauen”.

Natürlich handelt es sich bei den oben genannten Summen um Garantien, aber ich rechne mit einer hohen Ausfallrate und damit gigantischen Kosten für den amerikanischen Staat. Die Folge könnte sein, dass die Deflation plötzlich in eine Hyperinflation dreht oder bereits die Erwartung einer Entwertung den Dollar massiv fallen lassen wird (erste Anzeichen sinkenden Vertrauens gibt es bereits). Hier wird vor allem China eine entscheidende Rolle spielen, denn Peking stützt den Dollar momentan noch mit Zukäufen, möchte aber sicherlich nicht seine Staatsreserven verfallen lassen.

Ich glaube nicht, dass Ben Bernanke von seiner Politik in seinem tiefsten Inneren überzeugt ist. Er weiß, dass nur eine weitere Blase (also: weitere Kredite an US-Konsumenten…) helfen kann, die US-Wirtschaft halbwegs vernünftig am Boden aufschlagen zu lassen. Ich bezweifle im Moment, dass dies funktionieren wird. Selbst wenn – die nächste Krise wäre nur um einige Jahre verschoben. Handelt er richtig? Wohl kaum. Hat er inzwischen noch eine Alternative? Ich fürchte nein, soll das Ponzi-Schema nicht in einer gigantischen Implosion der amerikanischen und damit auch der Weltwirtschaft münden.

Finanzhistoriker werden ihn ähnlich kritisch wie seinen Vorgänger Alan Greenspan bewerten, dessen Niedrigzinspolitik Bernanke zu einem Zeitpunkt nur halbherzig den Rücken kehrte, als anderswo schon längst vor einer Immobilienblase gewarnt wurde. Die späte Erkenntnis des Ausmaßes der Krise sowieso seine Regulations-Abstinenz haben den eigentlich soliden Finanzwissenschaftler Bernanke zu einem Jongleur werden lassen, zu einem Fed-Präsidenten, dessen zweite Amtszeit im Moment so unwahrscheinlich wie eine erneute Präsidentschaftskandidatur John McCains scheint.

Anders als die politischen Spieler des Bush-Zeitalters ist Bernanke allerdings kein rücksichtsloser Macher dunkler Machart; dennoch wird er den Exzessen der Bush-Jahre einmal zugerechnet werden. Nach dem Artikel im New Yorker zu urteilen, bleibt ihm wahrscheinlich nur die Rolle des Notenbankers trauriger Gestalt.

4 Gedanken zu „Ein Notenbanker trauriger Gestalt“

    ben_ sagt:

    Erklär mal bitte die „finger in the dike“ Metapher.

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich darunter das verstehe, was sie mir sagen soll. :]

    joha sagt:

    Finger im Deich, dort wo Löcher drin sind. Blöd, dass man nur zehn Finger hat…

    […] des American Way of Life sind.  Am sympathischsten kommt dabei noch Ben Bernanke rüber, den ich an anderer Stelle heftig kritisiert habe. Wer Mitleid über missglückte PR-Auftritte empfindet, kann vielleicht noch […]

    […] year was shaped a lot by the FED-chairman and the treasury secretary. I have told you why I think Mr. Bernanke is an unfortunate figure, and I do regard Mr. Paulson even less able to deal with the crisis. Still, the faces of these two […]

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