Deutschland macht sich schuldig: Mit ihrer Durchsetzung von Industrieforderungen beim EU-Klimagipfel hat Angela Merkel einmal mehr gezeigt – sie mag alles sein, eine Klimakanzlerin war sie noch nie. Das wird Folgen haben.
Vorbild, no more (via Bertelsmannstiftung…, Flickr)
Ich habe es bereits vor anderthalb Jahren nach dem G-8-Gipfel von Heiligendamm geschrieben: Die Klimakanzlerin Angela Merkel ist eine mediale Erfindung. Sie hat es nie gegeben.
Die Ergebnisse des EU-Gipfels in Brüssel bestätigen es: Wie bereits beim lächerlichen Kompromiss zu den CO2-Grenzwerten für Autos hat sich Deutschland als einer der entscheidenden Bremsklötze in Sachen Klimaschutz präsentiert.
Der Emissionshandel wäre in der Phase ab 2013 durch die Schaffung eines wirklichen Marktes zu einem wichtigen Instrument zur Steuerung des CO2-Ausstoßes geworden; nach dem jetzt auf deutschen Druck verabschiedeten Modell werden Klimakiller wie die deutsche Stahl- und Chemieindustrie ihre Zertifikate geschenkt bekommen und sich so über reichlich Mehreinnahmen freuen können. Kein Wunder, dass da auch Italien und Polen ihre Klimaschleudern schützen möchten.
Dieser Kompromiss ist eine Lächerlichkeit, zu wenig und schlicht ungenügend, um das Ziel (20 Prozent weniger CO2-Ausstoß als 1990 im Jahr 2020) der EU zu erreichen*. Ich weiß, dass die Konjunktur am Boden liegt, aber, auch in der Gefahr, wie Al Gore zu klingen: Die Folgen der Erderwärmung werden uns weit mehr kosten als ein verstärkender Abschwung, der von visionäreren Gesellschaften zum Umbau der eigenen Wirtschaft genutzt werden würde.
Diese Chance will die EU nicht wahrnehmen. Die bittere Konsequenz des Merkel’sche Arguments, man müsse die eigene Industrie stützen, solange es keine weltweiten Klimaregelungen gebe, wird gerade östlich von Brüssel deutlich: Bei der UN-Klimakonferenz in Pozan geht nämlich nichts mehr. Soviel zu weltweiten Regelungen, die mehr wert sind als das ungebleichte Papier, auf dem sie niedergeschrieben werden.
Der heutige Tag lässt Schlimmes für das nächste Klimaschutz-Protokoll erahnen: Die jetzige Linie weiter gezogen, können wir vom UN-Klimagipfel in Kopenhagen Ende 2009 dürfte magere Ergebnisse, verpackt in hoffnungsschwangere Erfolgsrhetorik bringen.
Das wird nicht genügen. Es gibt keine Ausrede mehr: In der Person Angela Merkels hat sich Deutschland heute schuldig gemacht, die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts einfach zu ignorieren. Die Konsequenzen dieser Entscheidung werden wir schon in wenigen Jahren erleben, auch wenn wir uns an die direkte Verbindung zu den heutigen Beschlüssen vielleicht nicht mehr erinnern.
Dieser Kompromiss mag den Strukturen der EU-Entscheidungsfindung und der aktuellen Wirtschaftskrise geschuldet sein. Dennoch ist er nichts weniger als eine Schande.
*Nachtrag: nach der Lektüre dieses Eintrags von Roger Pielke jr. sollte ich das vielleicht umformulieren: Die 20 Prozent wird die EU schaffen, aber nur, weil man durch durch die neu hinzugekommenen (->deshalb Stand 1990!) EU-Ostländer einen Vorsprung von 12 Prozent hat. Auch so kann man sich seine „Maßnahmen gegen den Klimawandel“ schönrechnen.