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Ikonen der Finanzmarktschmelze

Falls ich es noch nicht erwähnt habe: Die Frontline-Dokumentationen von PBS sind mit Abstand die besten politischen TV-Dokumentationen der Welt , sei es in Bildgestaltung, Dramaturgie, Schnitt oder der Nutzung des Webs für Hintergrundinformationen.

So haben mich auch die 56 Minuten “Inside the Meltdown“ nicht enttäuscht: Die dramatischen Bear-Stearns– und Lehman-Entscheidungen werden einmal als die prägendsten Momente der zweiten Hälfte des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts in die Geschichtsbücher eingehen. Die Ikonografie ihrer Protagonisten wird im Lichte der Vergangenheit wohl in den Hintergrund treten, nicht zuletzt, weil sie nur wenig Entscheidungsspielraum hatten, sondern wie gekettet an die unvermeidlichen Ereignisse eines Finanzmarkts, der am Abyssus steht wirkten.

Es sagt einiges über die Natur dieser Krise aus, dass die Protagonisten Männer sind, Charakterköpfe noch dazu. Doch sie alle versagen und brechen mit ihren Prinzipien, welche die Prinzipien der Wall-Street und des American Way of Life sind.  Am sympathischsten kommt dabei noch Ben Bernanke rüber, den ich an anderer Stelle heftig kritisiert habe. Wer Mitleid über missglückte PR-Auftritte empfindet, kann vielleicht noch dem CNBC-Auftritt des damaligen Bear-Stearns-Chefs Alan D. Schwartz etwas abgewinnen.

Der ehemalige Finanzminister Hank Paulson hingegen hat noch nie für eine Heldenrolle getaugt; doch ist sein Konflikt, als Jünger der ungezügelten Märkte Schritt für Schritt den Staat ins Spiel bringen zu müssen, vielleicht der tragischste des ganzen Dramas. Timothy Geithner, dem jetzigen Finanzminister, traue ich eine ähnliche Rolle übrigens nicht zu: Durch seine unglücklichen wie konzeptlosen Auftritte ist er für mich der erste Kandidat, der bei einer Kabinettsumbildung von Obama den Stuhl den unter dem Hintern weggezogen bekommt (allerdings nicht vor 2010).

All diese Figuren waren bereits durch die goldenen Achtziger und Neunziger, als das Finanzwesen noch die Religion der USA war, verwoben wie AIG mit Lehman-Anleihen. Es wäre spannend zu erfahren, welche Rolle das Zwischenmenschliche, zum Beispiel zwischen Lehman-CEO Dick Fuld und Henry Paulson für den Lauf der Geschichte gespielt hat. Vielleicht werden wir es in den nächsten Jahren erfahren. Mich selbst würde wirklich brennend interessieren, wie die Beteiligten inzwischen den Begriff des “moral hazard“ für sich interpretieren.

3 Gedanken zu „Ikonen der Finanzmarktschmelze“

    ben_ sagt:

    Beides hattest Du mir ja schonmal nahe gelegt. Aber ich bin bisher nicht dazu gekommen. Viel mehr fasziniert hat mich hingegen die Institution PBS, von der man auf dieser Seite des Atlantiks so wenig weiß, und die doch scheinbar so grandios ist. Vielleicht würde es sich lohnen, Deiner Leserschaft diese Einrichtung etwas näher vorzustellen.

    joha sagt:

    Wenn ich Zeit hätte, lieber Ben…so muss aber der Wiki-Link erst einmal reichen:
    http://en.wikipedia.org/wiki/PBS
    (Oder mache ich mir das zu einfach? Sollte ich etwas twittern?)

    ben_ sagt:

    Also, ja. Das ist zu einfach. Das hab ich latürnich auch gleich gemacht.

    Und nein, bitte nicht twittern! 😉

    Das spannende an der PBS wird aber bei der Wikipedia nicht erklärt, nämlich warum die so gut sind. Und wie die so funktionieren als Netzwerk/Stiftung gerade in Amerika mit dem gewaltigen Fernsehmarkt. Das würde ich gerne besser verstehen. Ich glaube, daraus läßt sich etwas substanzielles für das Netz lernen.

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