Ein Musterbeispiel an missglückter Diplomatie zeigt, weshalb der Nahost-Friedensprozess derzeit im Koma liegt.
Prolog: Der Nahost-Friendsprozess ist in der Sackgasse, nicht zum ersten Mal. Da die Palästinenserführung schwach ist und Syrien in der Region an Einfluss gewinnt, wird Damaskus zum Schlüsselspieler. Vor allem die USA hoffen, durch ein Demilitarisierung der Golanhöhen auch für Gespräche über einen Palästinenserstaat neuen Rückenwind zu bekommen.
1.Akt: Am Montag (1. Februar) will Israels Verteidigungsminister Ehud Barak eine diplomatische Offensive starten. Wie immer im Nahen Osten ist die Wortwahl eine Art Negativ von dem, was eigentlich gemeint ist. In diesem Fall erklärt Barak: “Solange wir kein Abkommen mit Syrien haben, könnten wir in eine aggressive Auseinandersetzung eintreten, die zu einem umfassenden Krieg in der Region werden könnte.“ Die Botschaft ist für die israelische Öffentlichkeit gedacht. Gewünschte Interpretation: Israel kann ohne Verhandlungen mit Syrien nicht auf Frieden hoffen.
2.Akt: Dass Baraks Äußerung kein Zufall ist, zeigt eine kleine aber wichtige Meldung vom Mittwoch: Die USA wollen erstmals seit der Ermordung des libanesischen Ministerpräsidenten im Jahre 2005 wieder einen Botschafter nach Damaskus entsenden und haben dafür bereits einen Antrag gestellt. Währenddessen geht die Barak-Äußerung nach hinten los: Syriens Außenminister Walid al-Moallem erklärt, Israel solle “Syriens Entschlossenheit nicht testen“, das Land wisse, dass “der Krieg in die Städte Israels wandern würde“. Auch Syriens Staatschef Baschar al-Assad verfällt in die bekannten Reflexe: Die Fakten legten nahe, dass Israel die Region “Richtung Krieg, nicht Frieden treibe“.
3.Akt: Solche Äußerungen kann Israels unfähiger wie aggressiver Außenminister Avigdor Lieberman nicht auf sich sitzen lassen: Syriens Äußerungen seien eine unverhohlene Drohung. Die Assad-Familie solle aufpassen, denn sie würde einen möglichen Krieg nicht nur verlieren, sondern dabei auch ihre Macht einbüßen. In wenigen Sätzen zerstört er die diplomatische Taktik seines Verteidigungsministers: “Wer glaubt, dass territoriales Entgegenkommen einen Bruch der Verbindung zwischen Syrien und der Achse des Bösen zur Folge haben, belügt sich selbst und ist realitätsfremd“, sagt er. Israel werde die Golanhöhen niemals hergeben.
4.Akt: Wahrscheinlich auf Druck Washingtons muss Israels Premier Benjamin Netanjahu seinen Außenminister öffentlich zurechtstutzen: In einem von Netanjahu und Lieberman unterzeichneten Brief erklärt Israel, diplomatischen Verhandlungen mit Syrien ohne Vorbedigungen zuzustimmen. Zu diesem Zeitpunkt ist die politische Overtüre längst zu einem kakophonischen Desaster geworden.
5.Akt: Syriens größte Tageszeitung, ein inoffizielles Sprachrohr der Regierung, erklärt, dass Syrien “für Frieden oder Krieg“ mit Israel bereit sei. Die israelische Regierung versucht, das diplomatische Desasters herunterzuspielen. Die USA halten an ihrem Plan fest, einen Botschafter nach Damaskus zu entsenden – sie brauchen Syrien auch, um den Irak zu stablisieren.
Sowohl Israel, als auch Syrien tragen Schuld an der verbalen Eskalation der Situation. Die fehlgeleitete Friedensinitiative zeigt, dass der Nahost-Friedensprozess derzeit im Koma liegt. Ich befürchte, bis er wieder erwacht, dürften Jahre vergehen.
Tja, wer mit so verklausulierten Formulierungen in Verhandlungen eintreten will, muss sich echt nicht wundern, dass das fehlverstanden wird. Vielleicht sollte man mit den Äußerungen ein 210-seitiges Buch mitliefern, wie man das denn zu verstehen hat …
(P.S. Achse schreibt nicht Axe, auch wenn du wahrscheinlich vorher mal axis gelesen hast und dann passiert sowas schonmal … Ich hau auch manchmal die Trillion und die Milliarde durcheinander, auch wenn man es eigentlich weiss … Man macht das dann auch 100mal richtig und dann rutscht es einem doch irgendwann mal wieder durch …)
@egghat: Danke für den Hinweis, peinlicher Fehler (das kommt davon, wenn man so viel englischsprachige Quellen konsumiert).