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Jamaika: Das schreckliche Paradies

Der blutige Kampf um die Auslieferung eines Drogenbosses zeigt, wie sehr organisiertes Verbrechen, Gesellschaft und Politik in Jamaika bereits verschmolzen sind.

Tivoli Gardens Kingston

Kein Signal der Sicherheit (Foto: BBCWorldService, Flickr, CC)

Es gibt in diesen Breitengraden eine seltsame Verklärung und sie betrifft die Karibikinsel Jamaika. Dort, so die landläufige Meinung, sind alle Menschen friedliche Rastafaris, rauchen Ganja und baden in der Brandung.

Dass nichts ferner der Realität sein könnte, zeigt nicht nur die mörderische Homophobie, die dort stellenweise zum Alltag gehört oder die hohe Mordrate, bei der das Land unter den Top 5 weltweit liegt:  Aktuell tobt in der Hauptstadt Kingston ein blutiger Kampf um die Auslieferung des Bandenchefs Christopher “Dudus” Coke an die Vereinigten Staaten, die ihn als einen der gefährlichsten Drogenbosse weltweit bezeichnen und anklagen wollen.

Beim genaueren Hinsehen zeigt sich, dass es auch in diesem Konflikt keine „Guten“ gibt.  Coke gilt als Herrscher des Stadtteils Tivoli Gardens, der wiederum zum Wahlbezirk von Premierminister Bruce Golding gehört. Es gilt als Allgemeinwissen, dass Goldings Labour Party JLP ein äußerst gutes Verhältnis zu Cokes „Shower Posse“-Gang pflegt.

Peinlich wurde es allerdings, als vor einigen Wochen herauskam, dass die JLP Cokes Anwaltskosten in den USA bezahlt. Statt zurückzutreten, entschloss sich Golding, nun endlich der US-Auslieferungsbitte nachzukommen.
Die Shower Posse reagierte auf die Ankündigung damit, dass sie einige örtliche Polizeistationen in Brand setzten. Ende Mai marschierten 2000 Polizisten und Soldaten in Tivoli Gardens ein, um Cokes zu verhaften. Bei den anschließenden, Tage andauernden Kämpfen kamen mehr als 70 Menschen ums Leben – von Coke fehlt jedoch jede Spur. Die Zivilbevölkerung erhebt dabei schwere Vorwürfe: Die Polizei habe einige unbeteiligte Einwohner des Stadtteils regelrecht hingerichtet, heißt es.

Inzwischen werden die Rücktrittsforderungen an Golding lauter. Dies hängt auch damit zusammen, dass das organisierte Verbrechen ein sehr enges Verhältnis zur Politik pflegt und nun fürchtet, mit der Coke-Auslieferung werde ein Präzedenzfall geschaffen. Auch viele Jamaikaner sehen solche Syndikate durchaus positiv: Der Drogenexport ist inzwischen ein vitaler Wirtschaftszweig, der direkt oder indirekt für das Einkommen vieler Bürger sorgt.

Hinzu kommt, dass die Gangs in vielen Gegenden Teile der Einnahmen dafür verwenden, um Infrastruktur wie Krankenhäuser oder Schulen zu bauen. Eine weitere bittere Ironie: Die Gegenden, die sie kontrollieren, gelten oftmals sicherer als die, in denen die Polizei für Recht und Ordnung sorgt.

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