Im Vorfeld des EU-Gipfels war in der International Herald Tribune davon zu lesen, dass die Zusammenkünfte der europäischen Staats- und Regierungschefs bei Märkten eher für Beunruhigung, als für Vertrauen sorgen könnten – weil dort die Macht- und Planlosigkeit der EU zutage tritt.
Ganz so schlimm ist es nicht gekommen, doch die Entscheidungen vom Donnerstag sorgen nur oberflächlich für Klarheit: Viel bleibt vage, anderes wird in die Zukunft oder in globalere Ebenen verlagert. Ob Europa eine Art „Wirtschaftsregierung“ bekommt oder, wie die englische Übersetzung des Beschlusses vermuten lässt, es nur um eine – wie auch immer zu definierende – engere Zusammenarbeit geht, ist unklar; ZEIT-Autor Jochen Bittner weist zudem auf die institutionellen Implikationen einer solchen Idee hin (und ich habe Bauchschmerzen bei dem Gedanken an einen Machtzuwachs der EU-Bürokratie in Form der Kommission).
Die Bankenabgabe dürfte symbolisch bleiben und vor allem die regulären Kunden treffen, solange Investment- und Kundenbankgeschäfte nicht organisatorisch und rechtlich komplett getrennt werden. Die Finanztransaktionsteuer wird wohl beim G-20-Gipfel in Montreal begraben werden. Dass sich danach noch ein EU-Land findet, dass sie unilateral erhebt, bezweifle ich. Die Veröffentlichung der Stresstests ist eine gute Sache, allerdings weiß ich zu wenig darüber, wie aussagekräftig die Ergebnisse am Ende sein werden (siehe USA).
Hinter all dem schwebt für mich die Frage, ob eine konzertierte Wirtschaftspolitik wirklich auf der Ebene der EU-27 gelenkt werden kann oder wir, wie von Frankreich gefordert, ein Kerneuropa der Euro-16 erhalten. Und selbst das garantiert noch nicht, dass die beteiligten Staaten dazu bereit sind, ihre wirtschaftliche Lenkungssouveränität (falls es so etwas gibt) graduell aufzugeben. Falls es auf keiner der beiden Ebenen funktioniert, müssen wir uns mit einer Rückabwicklung der europäischen Wirtschaftsintegration anfreunden. Das erste Opfer wäre der Euro.
Exakte Beschreibung. Die Bankenabgabe wird auf den Verbraucher umgelegt. Zum Teil wird es zu steigenden Gebühren, zum Teil zu sinkenden Renditen führen.
Und die großspurige Ankündigung einer Finanztransaktionssteuer wird auch verpuffen. Auf dem Bremspedal steht seit dem ersten Tag Kanada, deshalb wird es mit der G20 nichts.
Ich weiss, ich lehne mich weit aus dem Fenster, aber ich finde das auch nicht schlimm. Denn beide Lösungen frickeln nur rum und gehen das ursprüngliche Problem im Kern nicht an. So zum Beispiel, dass die Banken einfach zu spekulativ waren. Mehr Eigenkapital würde sofort die Renditen deutlich sinken lassen. Und auch dafür sorgen, dass die Banken in der nächsten Krise die Verluste selber tragen könnten. Was die Rendite nochmal senken würde. Und dann würden sich auch die abgezocktesten Banken dreimal überlegen, ob sie das risikoreiche Geschäft fahren, wenn am Ende der Verlust auch in den eigenen Büchern bleibt (und nicht beim Steuerzahler landet).
Anders gesagt: Ich habe kein Problem damit, wenn sich jemand eine goldene Nase verdient. Aber ich habe ein Problem damit, wenn sich jemand mit Extremrisiko eine goldene Nase verdient und im Fall eines Verlusts diesen an die Allgemeinheit abgibt.
@Egghat: Die Bankenabgabe ist wirkungslose Symbolpolitik, ganz klar.
Was die Finanztransaktionssteuer betrifft (die ja irrerweise bereits in den deutschen Haushalt eingeplant ist), hab ich mich nicht entschieden. Bei der Anhörung im Finanzausschuss scheinen alle Seiten gute wie fadenscheinige Argumente gehabt zu haben (hier gibts das Video, vier Stunden ist aber echt nur was für Liebhaber). Ich denke auch, dass nicht Entschleunigung, sondern kleinere Hebel für die Bekämpfung der Credit-Crunch-Ursachen wirkungsvoller wären. Aber ich befürchte, dass sich Basel III zu einer ähnliche Hängepartie wie Basel II entwickelt (nicht nur in der Konzeption, sondern auch in der Umsetzung) und sich deshalb auf Jahre nicht viel tun wird.
Für die Finanztransaktionssteuer wäre das einzige Zeitfenster jetzt. Sie wird nicht kommen, obwohl die praktische Umsetzung sehr spannend gewesen wäre: Eine „weltweite Steuer“ wird ja trotz allem durch die einzelnen Nationen umgesetzt, auf einen einheitlichen Satz hätte man sich nicht geeinigt, nehme ich an (das dürfte auch in einigen Ländern dicke Verfassungsprobleme mit sich bringen). In der Folge hätten USA, UK, Japan und wer immer seinen Finanzstandort sichern möchte den Satz so niedrig angesetzt, dass es schlicht ein bürokratischer Aufwand für nichts geworden wäre. Und mit eben diesem Argument hätte man sie in ein paar Jahren wahrscheinlich wieder kassiert.
4 Stunden ist mir zu heavy. Und ich glaube auch nicht, dass da wirklich viel Neues für mich drin wäre …
Man muss einfach noch mal zu den Wurzeln zurück und überlegen, wo denn die Krisen aufgetreten sind. Und es lässt sich alles auf ein Übel zurückführen: Zu hohe Schulden. In den USA, UK, Spanien und Irland waren es vor allem die viel zu hohen Immobilienschulden, in Griechenland waren es vor allem zu hohe Staatsschulden. Daneben kommen dann „Randprobleme“ wie die Ratingagenturen, die Verbriefungen, die Statistikmanipulationen und Carry-Trades. Wobei letztere das *Einzige* sind, was man mit einer Finanztransaktionssteuer packen würde. Aber wer würde sich von 0,5% Finanztransaktionssteuer davon abhalten lassen, sein Haus zu 3% in Schweizer Franken oder Yen zu finanzieren, wenn der Kredit in der eigenen Währung 8 oder 10% kostet (wie es die Isländer oder Letten gemacht haben). Oder zu 0,x% das Geld in japanischen Yen leihen und zu 5% in Australien wieder anzulegen? Ich schätze so gut wie niemand. Dazu müsste die Steuer höher sein. Aber dann bezahlen halt alle die Steuer wieder, weil sie wie ein Zoll auf alle Waren wirkt.