Chinas steigende Löhne haben nicht nur für westliche Unternehmen, sondern auch für das Klima Folgen.
Ein Vierteljahrhundert war China der Sweatshop der Welt, nun deutet sich langsam eine Veränderung an: Die Foxconn-Krise hat gezeigt, dass eine neue Generation chinesischer Arbeiter sich langsam Bahn bricht. Sie sind besser ausgebildet, wissen mehr über ihre Rechte und haben höhere Erwartungen an ihr Arbeitsleben*. Von einer Bewegung zu reden, ist zu früh – klar ist jedoch: Für internationale Konzerne neigen sich die Zeiten der niedrigen Produktionslöhne in vielen Regionen des Landes dem Ende entgegen.
China ist theoretisch groß genug, um einen steigenden Lebensstandard zuzulassen: Der Osten könnte so die Binnennachfrage ankurbeln und langsam höherwertige Aufgaben in der Produktionskette übernehmen, während die klassischen Fabrikarbeiten in die ärmeren Regionen abwandern. Damit würde sich das Land nebenbei etwas unabhängiger vom Export machen können.
Allerdings hat der steigende Wohlstand noch eine andere Folge: Die Explosion der Konsumgesellschaft führt auch zu höheren Umweltschäden. Bereits jetzt liegen 16 der 20 verschmutztesten Städte der Welt in China. Die Energiebilanz des Landes dürfte sich nicht verbessern, wenn dort die westliche Wohlstandsgesellschaft kopiert wird und Autos, Klimaanlagen und Elektrogeräte aller Art zum Standard werden.
Der Westen ist hier in einer schwachen moralischen Position, die letztlich auch die Klimaverhandlungen in Kopenhagen zu Scheitern brachte: Wer jahrelang mit der größten Rücksichtslosigkeit den eigenen Komfort vorangetrieben hat, argumentiert Peking, darf aufsteigenden Ländern nun den Wohlstand mit all seinen Folgen nicht verwehren.
Allerdings sind die Umweltprobleme in Teilen des Landes so gravierend, dass die Regierung selbst den Handlungsbedarf erkannt hat – auch hinsichtlich möglicher Exporte ist die Weiterentwicklung von Umwelttechnologien ein zentraler Punkt in der Wirtschaftspolitik.
An ein grünes China, das Umweltschutz ins Zentrum seiner Politik rückt, fehlt mir angesichts der auf klassisches Wirtschaftswachstum (trotz möglicher Immobilenblase) ausgerichteten Politik und einer Einwohnerzahl von 1,3 Miliarden Menschen jedoch derzeit der Glaube. Die Sweatshop-Formel mag nicht mehr gelten – die Rolle als Fabrik der Welt wird sich China jedoch nicht nehmen lasen wollen.
*steigende Löhne sind übrigens auch volkswirtschaftlich geboten: Der Teil der Arbeitslöhne am Bruttosozialprodukt sank von 1983 bis 2005 von 57 auf 37 Prozent.
Danke für den Artikel, das wäre mir sonst wohl alles entgangen.
Nebensatz: Meiner bescheidenen Meinung nach haben wir in jeder Hinsicht gegenüber China eine schwache moralische Position. Wir westlichen Staaten täten gut daran dem 5000 Jahre alten chinesischen Staatswesen mit etwas mehr Respekt gegenüber zu treten, denn aus chinesischer Sicht, sind wir Eintagsfliegen auf der Weltbühne, Neu-Reiche und Emporkömmling und die Wertigkeit unsere Staaten muss sich erst noch beweisen.
5000 Jahre gibt es den Kommunismus in China allerdings noch nicht, und seit etwas mehr als 20 Jahren würde ich auch eher von einem kommunistisch angehauchten Kapitalismus sprechen.
Aber Du spielst natürlich auf zwei Dinge an: 1. Das andere Zeitverständnis in Asien, das eigentlich genau das Gegenstück zum hiesigen Kurzfrist-Denken bildet und 2. die Prägung Chinas durch Schulen wie den Konfuzianismus, die eben nicht nach Demokratie als höchster Vollendung der Staatsform streben.
Damit wären wir wieder bei dem Konflikt Werterelativismus vs. Erlösungsmodell Demokratie. Ironischerweise findet in den USA gerade eine kleine geschichtliche Umdeutung statt: In konservativen Kreisen wird das Motiv der Demokratieverbreitung, das ja Bush vor allem im Irak den ideologischen Überbau für den Krieg lieferte, inzwischen als klassisch linke Idee eingeordnet. Ironisch irgendwie – und ein Beleg dafür, dass die Neocons nur ein ganz kurzes Zwischenkapitel der amerikanischen Politikgeschichte waren.
Grundsätzlich ist „Sweatshop“ natürlich ein relativer Begriff. Nach dem 2. Weltkrieg war Deutschland ein Sweatshop. Bis in die 60er herein wird niemand leugnen, dass z.B. die Briten keine Chance gegen die niedrigen deutschen Löhne hatten. Die Japaner hatten die selbe Rolle, vielleicht ein Jahrzehnt zeitlich versetzt (kein Wunder übrigens, dass das beides Verlierer des 2. Weltkriegs waren).
Die Chinesen steuern jetzt langsam dagegen. Es ist eine Kombination aus mehreren Dingen: Erstens wissen die Chinesen genau, dass in bestimmten Bereichen auch bei höheren Löhnen keine Konkurrenz aus dem Ausland droht (z.B. bei der Elektronik). Und die 1 Dollar Jobs in der Textilindustrie will man scheinbar auch gar nicht mehr haben (ab nach Vietnam damit). Außerdem sind die Margen der Firmen so hoch, dass die Erhöhung der Löhne teilweise nicht einmal auf die Preise der Produkte aufgeschlagen werden wird, sondern „nur“ die Marge senkt (und damit das völlig aus dem Ruder gelaufene Verhältnis von Arbeitslöhnen zu Unternehmensgewinnen wieder normalisiert). Man muss hier auch bedenken, dass das keine Bewegung ist, die allein von den Arbeitern ausgehet, sondern von der Regierung zumindest toleriert wurde. Früher wurden Arbeiteraufstände schonmal gewaltsam niedergeschlagen. Heute lässt die Regierung das zu. Weil sie die höheren Löhne selber auch will …
Zweitens sieht die chinesische Regierung den Exportüberschuss langsam als kritisch an, denn außer der Sicherung von Rohstoffzufuhr fällt denen nix ein, was die mit ihren ganzen Dollars kaufen können. US-Staatsanleihen haben die schon genug.
Unterstützt werden diese ganzen Ideen auch von der Tatsache, dass die chinesische Währung wieder *langsam* aufwerten darf. Das senkt den Inflationsdruck im Land leicht (aber auch nur leicht, denn der Inflationsdruck kommt über die Löhne, nicht über dem Import) und senkt außerdem den Exportüberschuss (wenn auch ebenfalls nur leicht).
Kurz: Alle Maßnahmen der Regierung decken die These, dass die chinesische Zentralregierung höhere Löhne will, dass die Margen leicht sinken sollen, die Binnenkonjunktur angekurbelt werden soll und die Abhängigkeit vom Export reduziert werden soll.
(Übrigens ist die Unterbewertung des Yuan zum großen Teil ein Gerücht, mit dem die Amerikaner von ihren Problemen ablenken wollen. So unterbewertet ist der Yuan nicht. Die höhere Inflation und die höheren Lohnsteigerungen in China haben dazu geführt, dass der effektive Wechselkurs trotz offizieller Bindung an den Dollar selbst in den Jahren mit festem Wechselkurs *gestiegen* ist.
Ich empfehle dazu eine Analyse von Trinkaus: http://www.hsbctrinkaus.de/global/display/maerkteundresearch/devisen/devisenkompass#
Sehr interessant!)