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Schwedische Zeitenwende

Auf Koalitionspartnersuche: Fredrik Reinfeldt (Foto via Alliansen, Flickr, CC)

In Schweden wird am Sonntag gewählt, und es könnte eine Zäsur im doppelten Sinn werden. Zäsur 1: Zum ersten Mal seit 1917 könnten die regierenden „Moderaten“ von Premierminister Fredrik Reinfeldt die Sozialdemokraten auch als stärkste Partei ablösen. 2. Erstmals könnte auch im zur Mitte tendierenden Schweden Rechtspopulisten ins mit einer größeren Anzahl Abgeordneter ins Parlament einziehen.

Punkt 1 ist schnell erklärt und dennoch erstaunlich – immerhin gilt Schweden als klassisches Land der Sozialdemokratie. Doch dieses Mal ist das konservative Regierungsbündnis der Wirtschaftskrise halbwegs akzeptabel begegnet, auch wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist. Reinfeldt besitzt das Glück, dass die sozialdemokratische Spitzenkandidatin Mona Sahlin blass wirkt, mancher Schwede trägt ihr auch noch den „Toblerone-Skandal“ von 1995 nach, bei dem herauskam, dass sie als Ministerin private Ausgaben mit der Dienst-Kreditkarte getätigt hatte. („Schweden vergessen nichts, das mit Geld zu tun hat“, hat mir jüngst ein Schwede erklärt). Hinzu kommt, dass die sehr an der linken Mitte ausgerichteten Schweden die Oppositionszusammenarbeit zwischen Sozialdemokraten und den radikalen Linken suspekt ist, wohingegen Reinfeldt immer wieder den schwedischen Sozialstaat preist, also letztlich eine Art erfolgreichen Rüttgers gibt.

Punkt 2 erklärt sich auch dadurch, dass die Mitte in Schweden links ist. Rechts davon tummelt sich die Schwedendemokraten, die sich mit Parolen gegen Einwanderung und Muslime Gehör verschaffen und aus einer früheren Neonazi-Partie entsprangen. In ihre Rhetorik mischen sie zusätzlich etwas „man wird ja noch sagen dürfen“ und den Vorwurf, von Medien und Wahlgesetzen benachteiligt zu werden: So müssen Wähler in Schweden seltsamerweise bei den Wahlhelfern den Zettel mit der Partei verlangen, die sie wählen – potentielle Rechtswähler könnten durch das damit einhergehende Stigma abgeschreckt sein. (mp3)

Meiner Meinung nach wird dies aber nicht dazu führen, dass die Schwedendemokraten den Einzug ins Parlament verfehlen. Ihr Erfolg würde wiederum die Regierungsbildung schwierig machen. Am Ende könnte Reinfeldt die Grünen mit ins Boot holen, die eigentlich dem oppositionellen Linksbündnis angehören. Dazwischen stehen viele Hürden, doch ein moderat-grünes Bündnis könnte die Sozialdemokraten noch stärker isolieren – und verhindern, dass die Konservativen sich ihre Mehrheit in den Reihen der Schwedendemokraten suchen müssen, was sie vor der Wahl kategorisch ausgeschlossen haben.

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