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Weißraum der Bedrohung

Lego Polizist

Im Mittelpunkt des Geschehens (Foto: Alsterstar, CC, Flickr)

Als ich gestern am Flughafen vom Schienenersatz-Bus in die S-Bahn stieg – die Polizei hatte die eigentliche S-Bahn-Station offenbar für eine Durchsuchung gesperrt, meldete sich hinter mir eine junge Frau zu Wort: „Das ist genau das, was die erreichen wollen. Dass wir Angst haben und panisch werden.“ Auf die beiläufig geäußerte Meinung folgte ein kurzes Schweigen, dann wechselten sie und ihre Begleiterin das Gesprächsthema.

In den Worten der Frau spiegeln sich jedoch zwei wichtige Elemente der aktuellen Terrordebatte: Abstraktheit und Gelassenheit.

Zuerst zur Abstraktheit: Eine „terroristische Bedrohung“ ist immer bis zu dem Moment abstrakt, da ein Anschlag Realität oder öffentlichkeitswirksam verhindert wird. Alles, was dazwischen liegt, entzieht sich der Wahrnehmung. Das „Die“ der jungen Frau ist ja nichts anderes als ein Hinweis auf  noch unerkannte Kräfte, die dem Bürger nichts Gutes wollen. Diese Kräfte bleiben genauso abstrakt wie das Ausmaß ihrer Bedrohung, mögliche Anschlagspläne auf den Reichstag (wie am Wochenende im Spiegel „enthüllt“) können ebenso wenig verifiziert werden wie der Erfolg von Gegenmaßnahmen wie der bewaffneten Patrouillen in den Städten, wenn nichts passiert (die Abschreckung könnte erfolgreich gewesen sein oder die Bedrohung gar nicht wirklich vorhanden).

Abstraktheit bietet Weißräume, die Raum für Projektionen lassen: Szenarien, Verschwörungstheorien, Zustandsbeschreibungen der gegenwärtigen Gesellschaft. Ironischerweise, darauf hat Jens Berger hingewiesen, kommt die Panikmache von Terrorismusexperten, bestimmten Politikern (damit meine ich nicht die de Maizières , sondern die Körtings dieser Welt) und Teilen der Medien (ihr Job ist es, Weißräume zu füllen), wie auch von Überwachungsfürchtigen.

Und gleichzeitig, und damit kommen wir zum zweiten Element, herrscht bei den meisten Bürgern dennoch eine bestimmte Gelassenheit, der sich bei der jungen Frau in der Beiläufigkeit ihrer Aussage äußerte. Angst wird eben reflektiert, nicht gefühlt. Geschätzte 98 Prozent der Menschen leben ihr Leben wahrscheinlich weiter wie bisher – und wenn sie klug sind, schenken sie in den nächsten Tagen keinem der Weißraummaler Gehör.

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