Wie weiter nach Gaddafi?
Ich bin in Sachen Libyen misstrauisch, wie ich ja bereits zu Beginn des Nato-Einsatzes geschrieben hatte. Auf der einen Seite sehe ich, dass das Exit-Szenario für den Westen anders als vermutet kein Problem darstellt und die Rebellen zumindest rhetorisch darauf achten, als „Gute“ und Gemäßigte zu gelten.
Auf der anderen Seite handelt es sich bei den Rebellen um eine heterogene Gruppe aus unterschiedlichen Regionen, verschiedenen Stämmen, aus Säkularen und Islamisten, Militärrebellen und ehemaligen Exilanten. Eine unabhängige Gerichtsbarkeit gibt es ebensowenig wie Parteien oder eine funktionierende Medienlandschaft. Gaddafis Loyalisten könnten noch über Jahre hinweg Angriffe von der schlecht bewachten Grenze zu Niger starten (oder als Stadtguerilla auftreten). Und was wird aus den schwarzafrikanischen Gefängnisinsassen und den verhafteten Kämpfern, den Wünschen nach Rache und Vergeltung? Wie wird eine schwer bewaffnete Bevölkerung reagieren, wenn sich erste Spannungen ergeben?
Wer darauf eine Antwort zu meinen kennt, lügt. Es gibt kein Skript, an dem sich die libysche Revolution orientieren kann – und wenn, wäre es sicherlich nicht das einer westlichen, säkularen Demokratie. Das Interesse von Seiten der EU an Öl und Investitionen beim Wiederaufbau kann dem Land helfen, auf der anderen Seite machen finanzielle Verlockungen gierig.
Ein kleiner Randaspekt zum Schluss: Wenig berichtet wurde in westlichen Medien über die afrikanische Kritik an der NATO-Umsetzung der UN-Flugverbotszone. Der Schutz der Zivilbevölkerung ist längst nur noch ein Feigenblatt, wie die jüngsten Angriffe auf die letzten Gaddafi-Hochburgen zeigen. Natürlich sind afrikanische Staaten von je her sensibel, was Interventionen betrifft – ich nehme jedoch an, dass der Fall Libyen künftig eine gute Ausrede bieten wird, UN-Missionen in Krisengebieten auf dem Kontinent zurückweisen zu können.