Lose Gedanken zur Aura von Bildern im Facebook-Zeitalter.
Vor einigen Wochen machte ein Video die Runde, das sich leider nicht einbinden lässt: Don Draper präsentiert darin die Facebook-Timeline. Ich habe viel darüber nachdenken müssen, warum es mir so falsch vorkommt.
Womöglich liegt es daran, dass mir die Serie am Herzen liegt und das Original (dort geht es um einen Diagprojektor) zu den berührendsten Momenten gehört. Womöglich aber liegt es auch daran, dass genau das, was die Timeline vom Diaprojektor übernehmen soll, nicht funktioniert.
Ich weiß nicht, ob es so etwas wie eine Aura der Sozialen Netzwerke gibt. Natürlich kann man Benjamins Begrifflichkeit nicht direkt anwenden, aber in der Mad-Men-Szene ist etwas von einer „einmaligen Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag“ enthalten. Sie liegt in der Stummheit der Bilder (mit Filmmusik unterlegt, zugegegen), der Unschuld der Hobbyfotos – zwei Dinge, die wir eben im digitalen Zeitalter nicht so einfach reproduzieren können. Die Bilder bei Facebook bleiben nicht stumm, sie sind Kommunikationsaufforderung, was im Video-Mashup ja auch deutlich rüberkommt. Aber wer möchte sich schon von einem Foto faszinieren lassen, unter dem Pete Campbell kommentiert hat?
Die von mir genannte „Unschuld der Hobbyfotos“ ist eine andere Sache – es wäre naiv zu denken, dass eingeübte Posen eine Folge der Digitalfotografie sind. Aber dennoch führt die Kombination aus der Welt der allgegenwärtigen Linse und dem Wissen um die unendliche Verfügbarkeit der Bilder, unsere Geübtheit durch einen viel schnelleren Lernprozess (wir können das Bild direkt danach ansehen), in vielen Fällen zu einer Erstarrung der Pose. Wir sind inzwischen zu Profis geworden, wir kontrollieren den Apparat, von dem es einst hieß, er stehle unsere Seele – weil wir seine Funktionen, seine Ästhetik kennen. Ein Foto ist heute vielleicht noch mehr als früher eine Einladung, uns selbst zu produzieren – häufig im Wissen, im Netz zu erscheinen und dem Bild, das wir dort von uns zeichnen, entsprechen zu können (das meine ich übrigens wertungsfrei).
Womit wir beim Thema Authentizität wären: Konrad Lischka hat bereits angemerkt, dass die in der Facebook-Timeline erzählten Lebensgeschichten alles andere als authentisch sein dürften. Zum Begriff gibt es einen hörenswerten Podcast, in dem Djuna Barnes mit folgendem Satz zitiert wird:
One’s life is peculiar to one’s own when one has invented it.
Über „Eigentlichkeit“ lässt sich also immer streiten, die Stilisierung gehörte stets zum Menschen, wenn er sich in einem sozialen Raum (ob im Leben oder im Netz) bewegte. Doch was bedeuten die Begriffe heute? Werden wir im Netz zu den Menschen, die wir im Leben sind, oder doch eher umgekehrt? Was ist der von Don Draper erwähnte Schmerz der Erinnerung, den wir Nostalgie nennen, im digitalen Zeitalter? Und wo finden wir ihn? Ich persönlich – und hier kann ich nur subjektiv urteilen – kenne nur eine einzige Situation, in der Facebook diesen Schmerz auslösen kann: Beim Besuch des Profils eines Verstorbenen.