Es ist eine Tradition auf diesem Blog, das Jahr mit meiner persönlichen Liste zu beschließen. Und wie immer ein Feuerwerksbild zu posten.
Themen des Jahres: Veränderung und Verantwortung
Im vergangenen Jahr hatte ich ja die Eurokrise genannt, die in diesem Jahr natürlich noch einmal potenziert unser Bewusstsein bestimmt hat. Aber bei den Revolutionen im arabischen Raum und Fukushima wäre es vermessen, die Krise einer Währung und der europäischen Institutionen hervorheben zu wollen. Eine Klammer über dem ganzen sind jedoch zwei Aspekte: Veränderung (das ist glaube ich selbsterklärend) und Verantwortung – weil es bei all den angesprochenen Ereignissen (plus innenpolitisch Guttenberg, Wulff etc.) um genau darum geht, wie wir Verantwortung definieren. War Fukushima Tepcos Schuld oder schieben wir es auf die Naturgewalten, die das Ganze ja ausgelöst haben? Übernehmen Merkel, Sarkozy, Cameron und Co. Verantwortung für ihr Land, für Europa oder vielleicht doch nur für ihre Macht? Was ist die Entscheidung, auf die Straße zu gehen und unter Einsatz des eigenen Lebens für Veränderung zu demonstrieren anderes als Selbstveranwortung im besten Sinne? Ihr versteht ungefähr, worauf ich hinaus will, hoffe ich.
Person des Jahres: Mohamed Bouazizi
Am 4. Januar 2011 starb der tunesische Gemüsehändler Mohamed Bouazizi, nachdem er sich einige Wochen zuvor selbst angezündet hatte. Er hatte es satt, von den Autoritäten drangsaliert zu werden, willkürlich seiner Lebensgrundlage beraubt werden zu können. Ohne ihn hätte es die arabische Revolution vielleicht in dieser Form nicht gegeben. Mohamed Bouazizi steht für mich für die Erkenntnis, dass Freiheit unser höchstes Gut ist und das es manchmal der mutigsten Taten bedarf, um sie zu erreichen.
Ignorierte Ereignisse 2011:
Für mich persönlich, aber auch generell hat die Twitter-Nachrichtenbeschleunigung 2011 nochmals zugenommen, weshalb ich nicht das Gefühl habe, dass mir besondere Dinge entgangen wären. Mir würden spontan die Entwicklungen in Brasilien, Pakistan, Angola, Sri Lanka und im Irak einfallen, wo jeweils mehr passiert ist, als man hierzulande mitbekommen hat. Auch zum Drogenkrieg in Mexiko gab es viel Bodycount und wenig Erklärungen, als ignoriert würde ich das Thema allerdings nicht bezeichnen.
Bester Journalismus 2011:
Leider lässt sich Twitter nicht so gut durchsuchen, weshalb ich nicht besonders viele konkrete Beispiele nennen kann. In diesem Jahr habe ich wie immer Holger Gertz gerne gelesen, aber auch Moritz von Uslar – den ich dem Eindruck nach für wenig sympathisch, aber sehr begnadet halte. Oh, und natürlich Alex Rühle, dem ich das Prädikat „wertvoll“ nicht nur als Autor, sondern auch als Kollegen geben kann.
Desweiteren fallen mir ein:
Adam Gopnik: The Information
Wolfgang Uchatius: Die Riester-Bombe
Mark Leibovich: The Man the White House wakes up to
Philip Faigle: Ohnmacht macht wütend
Hansjürg Zumstein: Der Fall Kachelmann
Tom Noga: Zahnlos glücklich in Vilcabamba
Beste Blogs 2011:
Stellvertretend für die deutschen Wirtschaftsblogger (und -twitterer), die mir die Krise erklärt haben und nicht müde werden, Verlautbarungen, Statistiken und Theorien zu hinterfragen: Dirk Elsner (Blicklog), Egghat (Die wunderbare Welt der Wirtschaft) und die Autoren des Herdentrieb-Blogs. Egghat ist übrigens nach 2008 schon das zweite Mal auf dieser Liste. Schade fand ich, dass Weissgarnix in dieser Form nicht mehr existiert (wobei ein Blick auf Wiesaussieht lohnt) – aber ich fühle mich dennoch bestens informiert.
Prognosen für 2012:
Nach dem unberechenbaren 2011 fällt es mir schwer, etwas zu prognostizieren. Ich will den Euro noch nicht abschreiben, habe aber meine Zweifel, dass ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone zu verhindern ist (Watch-Länder sind neben Griechenland vor allem Spanien und Italien, außerhalb der Euro-Zone rechne ich mit massiven Problemen für Ungarn).
Barack Obama wird trotz Rezession in den USA (und weiten Teilen Europas) wiedergewählt werden, was nicht an seinen Verdiensten, sondern an der schwachen Konkurrenz liegt. Sarkozy sehe ich nicht mehr im Élysèe-Palast, er hat sich die Abneigung des Volkes langfristig gesichert.
Die Konsolidierung der arabischen Welt ist schwer vorherzusagen, ebenso die Entwicklungen in Iran und Irak. Brasilien wird auf jeden Fall eine größere Rolle spielen, alleine schon durch die zu erwartenden Wachstumsraten. China sehe ich nach dem Machtwechsel politisch eher repressiver werden (deutet sich ja bereits an), allerdings rechne ich dort auch mit einer wirtschaftlichen Schwächephase. In Deutschland sehe ich bei der FDP eine Ablösung von Rösler durch Brüderle, das ist aber keine besonders extravagante Prognose.
Wie waren die Prognosen für 2011?
Richtig lag ich bei:
-Schwarz-Gelb verliert Baden-Württemberg, die FDP ihren Parteivorsitzenden
-Probleme nach der Unabhängigkeit des Südsudan
-Proteste in Großbritannien (wenn auch anders, als gedacht)
-Bürger gegen Berlusconi
Falsch lag ich:
-Eurobonds kommen
-EU konsolidiert sich auf schwachem Niveau (wobei man das im Jahresschnitt ja durchaus so sehen kann)
-Gamal Mubarak tritt zur Wahl an (Boy, was I wrong…)
-Instabilität in Pakistan (jenseits der normalen Instabilität)
Euch allen ein gesundes 2012!
Dir auch ein gesundes 2012. Und etwas weniger spannend als 2011. Aber ansonsten erfolgreich. Vielen Dank für deine Arbeit auf allen Kanälen.
Danke für die erneute Erwähnung!
Und ein Gleichfalls für die besten Wünsche für 2012.
(Aber wo siehst du die Rezession in den USA? Ich sehe da eher ein stabiles Wachstum von 1 oder 2 Prozent. Rezession in Europa ja, aber in den USA sieht es IMHO im Moment nicht danach aus).
Und wo ich gerade dabei bin: Viel Erfolg beim neuen Digitalblog!
[…] bin etwas später dran als in den vergangenen Jahren, deshalb gibt es keine Jahresliste, sondern nur ein paar Gedanken. Was wird von 2012 bleiben? Was wird 2013 kommen? Nun, um die erste […]