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Das linke Paradox

Sozialistisches Poster Arabisch

Wo die Utopie noch wohnt (Hossam el Hamalawy, Flickr, CC BY-NC-SA 2.0).

Ein paar Gedankenstriche zu linker Politik in Deutschland, die derzeit nicht einfach zu begreifen ist.

1.    Ein Land, das mehrheitlich eher nach links neigt (behaupte ich mal), gibt der Union in einer Krise, die durchaus linke Gedanken aufkommen lassen könnte, auf Bundesebene aktuellen Umfragen zufolge 36 Prozent. Okay, Kunststück, Merkel und Seehofer sind ja nicht gerade bekannt für besonders konservative Haltungen oder Konservatismus in der Haltung zu ihren Haltungen.

2.    Parteien wie SPD und Grüne stimmen mehrheitlich für Maßnahmen wie den ESM, der ja letztlich in der Krise direkt und indirekt ein Bankenrettungsschirm ist. Gut, natürlich hängen Staatsverschuldung und Zustand der Banken in solchen Größenordnungen eng zusammen und alternative Lösungen wären aus realpolitischer Sicht mit großen Risiken verbunden, und Realpolitiker sind sie ja alle. Dennoch ist das aus ordnungspolitischer Sicht bemerkenswert.

3.     Die Linkspartei verliert in der Euro-Krise Stimmen und sieht Kernforderungen (Finanzmarktregulierung, Finanztransaktionssteuer) plötzlich im politischen Mainstream. Übrigens bin ich mir sicher, dass die Bankenverstaatlichung (auf Zeit) ebenfalls Mainstream und von Merkel assimiliert wird, sollte die Krise andauern und es eine schwarz-rote Koalition geben.

Wir haben also eine linke Politik, die Mainstream geworden ist. Aber, und das ist die größte und unglaublichste Paradoxie, in der Praxis ist es gerade der Neoliberalismus, der mit Privatisierungen und Staatsabbau im Zuge der Sparpolitik in den angeschlagenen Euro-Ländern seinen Siegeszug antritt. Und all dies, linke Theorie und liberale Praxis (ohne, dass die deutschen Liberalen der FDP damit besonders viel zu tun hätten), findet in einem Rahmen statt, in dem es keinen Entwurf gibt, der über Erhalt und/oder Wiederherstellung des Status Quo vor der Krise hinausgeht (bei der Linken liegt dieser Status Quo modifiziert vor 1989).

Das sind alles keine Geheimnisse, aber was mir fehlt, ist ein Muster hinter diesem Patchwork. Vielleicht findet sich jemand, der in den Kommentaren ein paar schlaue Gedanken dazu hat und mir hilft, die meinigen weiterzuentwickeln.

Ein Gedanke zu „Das linke Paradox“

    Ich denke, das einfache „Rechts-Links-Schema“ führt in der Analyse nicht besonders weit. Wenn wir an „rechts“ oder „links“ denken, haben wir immer den Gegensatz „viel Staat – wenig Staat“ im Kopf, die Realität ist aber wesentlich komplexer. In der Euro-Krise erleben wir eine Mischung aus rechter und linker Politik, also Austerität und Wachstumsimpulse.

    Ich bin zudem überzeugt, dass die Menschen intuitiv wissen, dass einfache Lösungen á la Verstaatlichung nicht funktionieren und deswegen der Linken das Management der Krise nicht zutrauen. Und darum geht es: das Management der Krise, das „muddling through“, nicht die Vision am Ende. Denn die meisten Menschen, so progressive sie auch denken mögen, sind doch eigentlich strukturell konservativ und scheuen abrupte Veränderung, die mit hohen persönlichen Risiken einhergehen …

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