Über „The Logia of Yeshua“.
Wer war dieser Mann, den die Menschen Jesus Christus nennen? Ich glaube, diese Frage zählt, trotz oder gerade wegen der Säkularisierung. Weil dieser Mensch, oder vielmehr die Interpretation seines Lebens die Identität vieler Teile der Welt geformt hat. Weil er der vielleicht größte spirituelle Kraftquell in der Geschichte Menschheit war, ist und sein wird.
Was also, wenn wir Jesus Christus gar nicht kennen? Guy Davenport und Benjamin Urrutia haben sich auf die Suche nach dem Menschen Jesus gemacht, und dabei den Weg über seine Worte gewählt. “Das Evangelium ist das Grab der Logia“, schreiben sie in ihrem Vorwort zu „The Logia of Yeshua“ (nur in englischer Sprache erhältlich). Die beiden Gelehrten haben die frühesten Niederschriften (kanonisch und nicht-kanonisch) von Jesus‘ Worten identifiziert und übersetzt. Keine Heilsgeschichte, keine Biographie, keine Interpretation liefert das handliche Buch. Nur die ursprüngliche Überlieferung seiner Worte.
Der Jesus, der hier spricht, ist ein anderer als der christliche. Er erscheint so wütend wie liebend, so weltlich wie mit Gott verbunden. Ein selbstbewusster jüdischer Freiheitskämpfer mit spirituellem Anspruch. Nichts wirkt nach der Lektüre fremdartiger als der romantische, sanfte Jesus des Neuen Testaments. “If you haven’t understood the alef, how can you teach others the beth?“, fragt er. Es klingt wie ein Vorwurf gegen jenen Absolutheitsanspruch, den seine Nachfolger formuliert haben. „You have seen your brother, you have seen your God“, ist einer der anderen Sätze, der ein anderes Bild von Autoriät und Gottesglauben vermittelt, als wir es kennen. Einige Aussprüche entsprechen denen des Evangeliums, andere sind ähnlich, aber doch ohne den Spin der Interpretation durch die frühen Christenführer. Einiges überrascht, so seine Ablehnung der Beschneidung oder des Fleischkonsums.
Ich lese gerne in diesem Buch. Es suggeriert keine Wahrheit, sondern gibt uns einige ursprünglichen Stücke jenes Puzzles in die Hand, aus dem später das Christentum wurde. Wie wir diese Puzzleteile wahrnehmen, wo wir sie in unser Weltbild einsetzen, ist eine sehr subjektive Sache. Genau deshalb ist es „The Logia of Yeshua“ eine Inspiration.
Ah. Oh! Superspannend! Gerade für mich als radikalem Atheisten. Ich fand damals durch den Film „Stigmata“ angeregt das Thomasevangelium etwas angesehen. Und ich fand die Kinski-Interpretation von Jesus mirt aller Kraft in die gleiche Kerbe schlagend:
„Gesucht wird Jesus Christus, angeklagt wegen Verführung, anarchistischer Tendenzen, Verschwörung gegen die Staatsgewalt: Deckname: Menschensohn, Friedensbringer, Erlöser.“
Da bin ich sehr gespannt auf eine Übersetzung von “The Logia of Yeshua”, weil ich mir das auf Englisch doch nicht durchlesen will. Ich fand das immer schwer iritierend, christilich Glaubenstexte in Englisch zu lesen oder zu hören. Das ist ein bisken so wie wenn Silvester Stalone die vorlesen würde.
@Ben: Ich befürchte, das wird nicht mehr übersetzt, kam irgendwann Anfang des Jahrtausends raus. Alternativ kann ich Dir aber „Zelot“ von Reza Aslan empfehlen (bin da aber auch noch nicht mit durch). Interview dazu: http://www.zeit.de/2013/33/reza-aslan-jesus/komplettansicht
Oh. Na dann werde ich wohl vielleicht doch mal zum Englischen greifen. Erstmal auf den Wunschzettel gelegt. Bis zum Ende des neuen Aubrey und Maturin muss das mindestens noch warten. 🙂
@Ben: Es ist ein sehr dünnes Buch, eher zum Stöbern als zum Durchlesen, würde ich sagen.
[…] fühle mich bei der Suche nach dem historischen Jesus immer an die Dialektik der Aufklärung erinnert: Könnten wir ihn als Menschen freilegen und seine […]