Thomas Wedell-Wedellsborg von den Innovation Architects hat neulich bei Peter Day eine Geschichte erzählt, die sehr gut erklärt, was Innovation ist: Bis 1972 gab es keine Rollkoffer. Wieso, ist schwer zu sagen, damals waren die Menschen auf den Mond geflogen, das hatte Rad hatte seinen 3570. Geburtstag hinter sich. Aber die Menschheit musste ihre Koffer offenbar weiterhin schleppen.
Der Koffer-Vertreter Bernard D. Sadow kam auf die Idee des Rollkoffers, als er sah, wie an einem Flughafen ein Mitarbeiter schwere Geräte per Gepäckwagen transportierte. Der Einfall machte ihn reich, doch er hatte etwas vergessen. Die Menschen mussten ihre Rollkoffer weitere 15 Jahre gebückt schieben und ziehen. Es dauerte bis 1987, bis der Pilot Robert Plath das Problem erkannte und Koffer mit einem Teleskopgriff ausstattete. Die Gattung der Rollaboards war geboren.
Was daraus zu lernen ist? Häufig liegt Innovation nicht in Zukunftstechniken, sondern in der Lösung gegenwärtiger Probleme mit Hilfe bekannter Mittel. Und nicht selten sind es Branchen-Outsider, die den richtigen Abstand haben, um ein Problem und dessen Lösung zu erkennen.
Jenseits des Objekts
Allerdings kann das Koffer-Beispiel auch in die Irre führen, wie W-W anmerkt: Denn Innovation bedeutet nicht nur, in Objekten zu denken (wie mache ich den Koffer leichter, kompakter etc.). Der Koffer ist am Ende nur das Hilfsmittel, um meine Kleider und Habseligkeiten von A nach B zu transportiere.
Innovation kann im Falle des Koffers also auch heißen: Ich fliege nach New York und brauche meinen Habseligkeiten dort, gibt es mögliche Vereinfachungen des Transports (z.B. die Möglichkeit, seinen Koffer schon einmal alleine zum Flughafen zu schicken; eine Technik, die am Gepäckband Koffer und Besitzer reibungslos zusammenbringt)? Vielleicht existieren sogar Alternativen zum Gepäckstück selbst oder dessen Mitnahme? Ein Dienst, der mir in New York die wichtigsten Sachen leiht; ein Logistikunternehmen, das meine Habseligkeiten über bestehende Infrastrukturen kostengünstig transportiert.
Innovation bedeutet, ein Problem zu lösen. Technologie erweitert im Idealfall die Vorstellungskraft, was die Lösung sein könnte – und was das eigentliche Problem ist.
Würde sogar noch weiter gehen und Innovation als erstmalige oder überlegene Bereitstellung eines relevanten Nutzens definieren. Ein Problem brauchst Du dafür ursprünglich gar nicht.
Verdammt, ein Experte liest mit. 😉 Ist natürlich korrekter, bei dieser Form von Innovation wird das Fehlen dieser Bereitstellung erst zum Problem, wenn sie bereits etabliert ist.
Man darf an der Stelle nie, nie, nie den gesellschaftlichen Kontext vergessen. Innovation ist nur dann erfolgreich (und wir auch nur dann „Innovation“ genannt), wenn sie auf einen gesellschaftlichen Bedarf trifft. Kann ich gar nicht oft genug sagen. Hab ich Dir schon „Im Weinberg des Textes“ geschenkt, Joha?
Achso … und … man darf an der Stelle auch nicht vergessen, den Unterschied zwischen echter und scheinbarer Innovation, zwischen Mehrwert und Mode zu erkennen. 2006 waren wir alle der Meinung, dass Delicious und Technorati unglaublich nützliche Plattformen sind und wie wir bloss vorher ohne sie arbeiten konnten. Heute sind Delicious und Technorati tot und es gibt keinen Bookmarking oder Blogsearch-Dienst, der ihren Platz eingenommen hätte. SaaS-Bookmarking war nur eine mehrwertlose Mode, die einen Mehrwert vorgegauckelt hat.
@Ben: Bedarf ist das, was ich als Problem bezeichnet habe. Der Unterschied zwischen Mode und Mehrwert zeigt sich meiner Meinung nach erst in der Ex-Post-Bewertung. Gibt es eigentlich Kriterien dafür, wann das Label „Innovation“ vergeben oder wieder aberkannt wird? Bookmarking-Plattformen (ich benutzt übrigens noch eine, aber automatisiert) konnten ja zu einer bestimmten Zeit als Innovation gelten.