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Lesen

Zehn lose Gedanken.
Zeitschriften

(1) Das auf dem Foto sind die Magazine, die nach zwei Wochen Urlaub in unserem Briefkasten lagen. Und vor unserer Tür, weil der Briefkasten voll war.

(2) Zeitschriften-Abos bekommst Du in den USA nachgeschmissen, ein Dollar pro Ausgabe für ein Magazin, das am Kiosk acht Dollar kostet. Meine Vorfreude beim Holen der Post ist grenzenlos beziehungsweise wird nur dadurch eingetrübt, dass einige Verlage meine Adressen hemmungslos verkaufen und ich jetzt von ultralibertären Republikanern Petitionen zugeschickt bekomme. Und von Robert Redford.

(3) Der sich daraus ergebende Druck besteht nicht darin, das Magazin “zu lesen“ – sondern zumindest ein, zwei Stücke konsumiert zu haben, damit man nicht das Gefühl hat, Geld rauszuschmeißen.

(4) Die Konkurrenz ist nicht nur die NYT-, SZ- oder WaPo-App, die Print-Lokalzeitung (Chronicle) oder die auf den E-Book-Reader geschickten Feedly-Stücke, sondern auch Twitter, das auch eine Form von Lesen ist (und eines mit Interaktionsmöglichkeit). Und ich bin noch nicht einmal Mobile Gamer oder exzessiver Whats-App-Schreiber. Von anderen Bildschirmen wie YouTube, Netflix etc. rede ich gar nicht.

(5) Ich hatte das Glück, Literaturwissenschaft zu studieren und damit schon eine Menge belletristischer Klassiker gelesen zu haben. Inzwischen hat mich mein Job und mein Interesse am Weltgeschehen sehr an aktuelle journalistische Texte gebunden. Die Phase geht jetzt vorbei, denn Literatur ist Literatur und Journalismus eben nur selten.

(6) Ich lese in der Regel sechs bis acht Bücher gleichzeitig, wobei das geschummelt ist, denn ein paar davon habe ich insgeheim schon aufgegeben, oder sie mich. Vielleicht ist es ein bisschen wie mit dem Essen, je größer die Auswahl, desto stärker die Abstumpfung.

(7) Sollte ich die Gelegenheit haben, werde ich Nick Hornby die Identität klauen. Er liest, darf darüber eine Kolumne schreiben und Autoren wie Karl Ove Knausgaard entdecken. Ich stelle mit Hornby vor, wie er sich einen Tee macht und einfach einen ganzen Nachmittag in einem Buch schmökert (glücklich grinsend, der Sack!), während meine Nachmittage meist daraus bestehen, journalistische Texte mit begrenztem Haltbarkeitsdatum zu schreiben und mich zu fragen, warum die Zeit so schnell dahingeht und der Tag keine 36 Stunden hat, von denen ich dann acht Stunden lesen könnte. Vielleicht.

(8) Ich überlege schon lange, was aus dem belesenen Intellektuelle des 20. Jahrhunderts wird (also aus dem Konzept). Vielleicht wird er nicht trotz, sondern wegen der überbordenden Masse an lesbarer Information nahezu aussterben. Ich weiß nicht, welches Konzept der Informiertheit an seine Stelle treten wird. Das Weltwissen ist zu groß und der Rückzugsort für tiefe Buch-Lektüren zu klein geworden. Nicht, dass die Zahl der Schopenhauer-Leser außerhalb der beruflichen Zwangsbeschäftigung bislang besonders groß gewesen wäre – das Netz macht aber nicht nur den direkten Zugang, sondern auch die Lektüre von Sekundärliteratur theoretisch überflüssig. Theoretisch deshalb, weil Wissen nicht mit einem Erkenntnisprozess verwechselt werden sollte.

(9) E-Book-Reader sind keine Brückentechnologie, sondern haben einen Vorteil in einer beachtlichen Zielgruppe: Im Gegensatz zu andere Mobilgeräten gibt es keine Ablenkung. Allerdings ist nicht gesagt, dass sich das Multitasking-Problem nicht technisch gelöst werden kann (z.B. eine API für „Beschäftigt-Status“).

(10) Ich habe keine Ahnung, ob Spritz und Social-Reading-Ideen wie Sobboks die Zukunft andeuten oder spät genug dran sind. Lesen ist nur ein befriedigender Prozess, wenn er reibungslos verläuft – und hier sind für solche Konzepte noch einige UI/Nutzerführungsprobleme zu lösen.

2 Gedanken zu „Lesen“

    Danke, die Gedanken machen Lust auf mehr. Da folge ich doch gerne weiter und werde mal stöbern.

    Ronny sagt:

    Ich bin auch gespannt, wie und ob sich Sobooks druchsetzen oder zumindest eine gute Alternative darstellen werden. Dieses ständige „Unterbrechen des Leseflusses“, um sich Kapitel- oder Seitenweise mit anderen über den Inhalt auszutauschen, sehe ich auch durchaus kritisch… Schöner Beitrag von dir: Tolle Gedanken, informativ und am Puls der Zeit.

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