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Medium und Medienfirmen der anderen Art

Medium Medienwandel

Blick aus dem Medium-Office in San Francisco (Foto @dahul)

Medium ist eine Medienfirma, aber auch ein Technologie-Unternehmen. Zuordnen könnte ich es aber keiner der beiden Seiten.

Das ist wichtig, um zu verstehen, was Medium gerade macht. Es arbeiten dort Redakteure und es gibt sogar Magazine (Matter, Backchannel), die Aufgabe der Journalisten ist nicht nur, Inhalte zu produzieren oder auszuwählen: Vielmehr geht es auch und vor allem darum, die Frage zu klären „genügt unser CMS dafür, die Ideen umzusetzen, die ich habe?“

Ich halte das für schlau, weil sie unter diesen Voraussetzungen natürlich das das Limit des Machbaren ausreizen. Abgeglichen mit technischer Umsetzung und der Frage „braucht der Nutzer das?“ hast Du im Idealfall stets das beste State-of-the-Art CMS. Und das ist wiederum wichtig, um bei einer UGC-Plattform weitere Nutzerkreise zu erschließen.

Während die deutschen Medien noch um das Verhältnis zwischen Lesern und Redaktionen ringen, arbeitet Medium nach dem klassischen Plattform-Drehbuch (aus dem ursprünglichen Konzept „Twitter für Longreads“ abgeleitet). Lineare Geschäftsmodelle verschwinden, die Wertschöpfung steckt in den geschaffenen Interaktionen. Das gilt zu hundert Prozent für Web-Unternehmen, zu denen inzwischen eigentlich auch Verlage gehören.

Wer mehr über das Konzept wissen möchte, dem sei dieses Video von Sangeet Paul Choudary empfohlen.

Ein Unterschied zwischen „redaktionellem“ Content und Nutzer-Inhalten fehlt und wäre auch unsinnig, bei Backchannel laufen beispielsweise die besten Tech-Geschichten auf Medium ein. Ein Magazin als Sammlung.

Wo das alles hinführt, weiß man glaube ich selber noch nicht. Es gab mal Gedanken über eine Paywall-Software, wurde mir erzählt, die dann aber verworfen wurde. Natürlich gibt es Native Advertising, aber erst einmal geht es um Wachstum, das unter anderem mit Staubsauger-Funktionen (Import your content) verstärkt werden soll. Vielleicht skalieren sie nicht schnell genug, bevor das Geld verbrannt ist. Vielleicht wird Medium das größte publizistische Web-Netzwerk der Welt. Vielleicht entwickelt sich das CMS zu einem Standard- und erfolgreichen B2B-Produkt (vgl. Chorus von Vox Media auf Steroiden). Oder zu einer Komplettlösung für Firmen-Marketing. Vielleicht wird es durch einen Exit zum Twitter-Feature für die Nische. Niemand weiß es.

Dennoch steckt in Medium eine einfache Wahrheit: Technologie ist nicht einfach ein „Instrument der Übermittlung“ für einen Journalismus, dessen Inhalte vom Trägermedium unabhängig sind. Sie ist der Ausgangspunkt für alle Antworten auf Strategiefragen, und das sicherlich stärker, als dies viele Traditionsmedien mit ihrem Fokus auf das lineare Publishing-Modell erwarten.

P.S: Ich habe die Frage nach den Folgen der Content-Silos für das freie Web hier ausgeklammert, im Dezember habe ich dazu etwas geschrieben.

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