Günter Hack hat in seinem Blog eine kleine Kritik der oberflächlichen Technologie-Kritik verfasst.
Ich will nur kurz auf das Niveau des Diskurses eingehen: Mein Developer-Kurs, den ich gerade besuche, hat mich in der Überzeugung bestärkt, dass „über Tech reden“ besser funktioniert, wenn man zumindest ein bisschen „Tech sprechen“ kann. Es gibt aber auch andere Zugänge (und ich glaube, dass diese gemeint sind).
Denn hinter Tech steht noch mehr als Code, es steht eine Struktur von Kulturen. Günter Hack schreibt von einer Ingenieurskultur und trifft damit einen Nerv bei mir. Ich denke hier viel über das Verhältnis von Developern und Business-Menschen nach, denn das sind (stark vereinfacht) die beiden Pole, aus deren Spannungsfeld Innovation entsteht
Der Business-Pol hat gerade eine stärkere Wirkmacht, was an den hohen Finanzierungen liegt, an kulturellen Veränderungen und auch an dem Publikum, das vom Geld angelockt wird. Der Entwickler Michael Church ist wahrscheinlich der Mensch, der diesen Gegensatz am klarsten und extremsten artikuliert: MBAs als Kolonialherren über die Technologie-Ingenieure, die komplette Vereinnahmung von Tech durch die Scheinriesen des Kapitalismus.
Ich halte diesen Punkt für wichtig. Nicht, weil er so kompromisslos ist, sondern weil er ein Ungleichgewicht benennt, das im Kern vieler der aktuellen Exzesse und künftiger Konflikte steckt: Die Developer-Tradition eines ethischen Progressivismus*, der in der Theorie ein wichtiger Kontrollpunkt für den banal-prahlerischen Futur-Libertarismus eines Marc Andreessen oder den inzwischen mit Geschichts- oder Scheckbuch-Hoffnung aufgeladenen Solutionismus der Szene wäre.
Ich halte einen offenen Konflikt zwischen diesen beiden Strömungen unvermeidbar und wichtig. Nicht trotz, sondern weil sie sich – gerade hier im Silicon Valley – in einigen Bereichen ununterscheidbar vermischt haben und weiterhin aufeinander wirken.**
(Ben hat zum Thema auch etwas gebloggt, quasi).
*ich idealisiere ein bisschen, den Sexismus in Teilen der Branche würde ich zum Beispiel nicht nur der Business-Tradition zuordnen, den Autismus bezüglich der Wirkung von Produkten genauso wenig. Wie gesagt: Es hat sich vermischt.
** In Wahrheit findet dieser Konflikt innerhalb vieler Firmen jeden Tag statt. Aber nicht auf grundsätzlicher Ebene, sondern auf der von Produkten und Strategien. Und manchmal passiv-aggressiv
Weil man sich drüben bei Günter Hack irgenwelche Logins beschaffen muss zum kommentieren und weil ich eh viel lieber mit Dir rede: Wer ist Morozov und was hat der getan, dass man sich da so drüber aufregen kann?
Dann … wie lustig, dass just genau dieses Problem jetzt wieder zu mir kommt. Das kenne ich nämlich noch sehr gut und zwar aus der Uni. Mein Prof. war nämlich unteranderem mit „Public understanding of Science“ beschäftigt und ich gleich mit. Die in den Elfenbeintürmen der Universitäten haben also genau das gleiche Problem. Und wenn ich meine Frau abends zuhause das eine oder andere Mal schimpfen höre, was Leute so über Sprache in den Medien sagen, klingt so ähnlich, wie Günther Hack. Meine einzige Erinnerung an „Public Understanding of Science“ ist allerdings, dass das eine ziemlich hilf- und ergebnislose Unternehmung war. Am Ende predigt man immer nur zu den Bekehrten.
@Ben: Ich muss leider zugeben, dass der mediale Tech-Diskurs in Deutschland häufig wirklich etwas flach ist, gar nicht mal nur im akademischen Sinne, sondern schlicht bei der Vermittlung von Ursache, Wirkung, Möglichkeiten und Grenzen. Das liegt lustigerweise jenseits von Wissen und der Prognosen-Komponente auch an Begrifflichkeiten. Wie wäre es denn, wenn wir für unterschiedliche Begriffe für Drohnen (bewaffnete, unbewaffnete) hätten? Oder statt AI erst einmal Statisches Lernen sagen würden? Eine gewisse Unschärfe wirst Du natürlich nie aus der Debatte kriegen, genauso wenig wie einige stereotype Erzählungen (der amerikanische Tech-Kapitalismus wirkt natürlich in Deutschland sehr viel bedrohlicher als der Daimler-Kapitalismus, auch wenn man über die Wirkung beider lange diskutieren könnte).
Du kannst natürlich nicht alle auf eine Ebene kommen, um dort einen Diskursraum aufzumachen, aber mehr Mühe wäre schon angebracht manchmal (betrifft auch mich selbst, ich bin ja auch von Beruf Vermittler).
Ich lese gerade Solar von Ian McEwan, darin finde ich ganzen Debatten über Wissenskonzepten und Wissenschaftsbetrieb wieder und bin sehr viel besser unterhalten als zu Uni-Zeiten (da stellt sich ja eine gewisse Ermattung ein, weil der Betrieb so extrem davon geprägt ist). Kann ich sehr empfehlen, wenn Du eine Sommerlektüre suchst.
[…] habe vergangenes Jahr schon einmal über die Struktur von Kulturen hinter Tech und den Konflikt Developer vs. MBA geschrieben. Das Graham-Essay ist ein gutes Beispiel dafür, wie […]
[…] Was mich am Silicon Valley immer genervt hat, war die breite Mittelmäßigkeit hinter der Fassade, die Goldsucher-Generation mit den MBAs, ihre Boys Club Friends unter den VCs und die ihnen gemeinsame Achtlosigkeit gegenüber der Welt und den Werten, die Tech irgendwann einmal verkörpert hat. […]
[…] hört der Text auf, bevor er richtig beginnt. Aber die Debatte über die Kultur hinter Tech ist für mich weiterhin eine der wichtigsten der digitalen […]
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