Ich steige an einer Station zwischen Palo Alto und Mountain View aus dem Zug und versuche mal wieder, mich zu orientieren (die Städte dort sind wirklich nicht für Fußgänger gemacht). Ich steuere in eine Wohnsiedlung und merke, dass neben mir ein älterer Mann auftaucht. „Du bist aus Europa“, sagt der Afroamerikaner. „Woher weißt Du das?“, frage ich. „Das sieht man“, entgegnet er lächelnd.
Wir gehen nebeneinander her, er wird ernst: „So kann das nicht weitergehen.“ Ich frage, was er meint. „Das alles hier. Das war nicht so gedacht.“ Auf meine erneute Nachfrage holt er aus. „Hitlers Krieg… der Goldschatz Mussolinis. Und jetzt guck es Dir an: Das Geld ist nichts mehr wert, die Welt ist überschuldet. Und jetzt kommt Ihr und wo bleibt der Rest? Zuckerberg hat in seinem Leben noch keinen Penny Steuern bezahlt.“
Ich überlege kurz, ob es irgendeinen Sinn macht, durch Nachfragen eine Diskussion in Gang zu bringen oder etwas zu verstehen… stattdessen sage ich, um das Thema zu wechseln: „Ich arbeite nicht in der Tech-Branche.“ Ich gehe weiter und der Mann bleibt stehen, formt seine rechte Hand zur Pistolen-Geste und zieht mit der linken drei Mal den imaginären Abzug, mit seinem Mund stumm die Schussgeräusche formend. „Ich bin ein guter Schütze“, ruft er mir noch lachend nach.
Am frühen Abend bin ich in einem Thai-Restaurant auf der University Avenue, der zentralen Straße Palo Altos. An drei anderen Tische sitzt jeweils noch eine andere Person. Die drei anderen Gäste sind alle unter 35 und haben alle ihre MacBooks auf dem Restauranttisch ausgeklappt, starren und tippen hinein. Einer von ihnen telefoniert sogar lautstark via Skype mit Geschäftspartnern, während der Kellner ihm nebenbei das Essen serviert. Wohlgemerkt: Das ist kein Imbiss, sondern ein Restaurant in guter Lage, nett eingerichtet, mit aufmerksamen Personal. Doch Interaktion zwischen dem Kellner, einem älteren Asiaten, und den Gästen findet nur aus deren Augenwinkeln statt. Es ist, als wäre er zu einem Diener degradiert worden.
Das ist die Bay Area im Jahr 2015 und ich möchte diese Eindrücke einfach unkommentiert stehen lassen. Zwischen den beiden geschilderten Begebenheiten habe ich noch mit Marc Goodman über die Zukunft von Cybersicherheit und -verbrechen geredet. Ich fand das Gespräch recht ergiebig, es ist hier online zu finden.