Natürlich muss ich, wenn ich über New Orleans rede, über das Essen reden. Ich habe noch nie in einer Stadt gelebt, in der Kochkunst eine solch exponierte Rolle einnimmt. Die Menschen schwelgen hier in Erinnerungen an Mahlzeiten, wie in Deutschland über legendäre Fußball-Spiele geredet wird.
Selbst in Imbiss-Läden ist das Essen in der Regel gut, außergewöhnlich gut zum Teil (außerhalb des French Quartiers zumindest). Das scheint damit zu tun haben, dass es hier keine gesellschaftliche Toleranz für schlechtes Essen gibt. Und doch würde niemand hier eine ordentliche Portion Reis und Bohnen ablehnen. Ordentlich bedeutet hier übrigens schmackhaft, nicht groß. Ganz der französischen Tradition entsprechend geht es um das Erlebnis, nicht die schiere Masse.
Als Vegetarier bleibt mir ein Teil der Cajun und Creole Kitchen (der Unterschied ist hier beschrieben) verwehrt, und ich hadere ein bisschen damit, wenn auch nur geschmacklich. Andererseits wurden inzwischen schon viele Gerichte in das Fleischlose übersetzt oder neu erfunden; und neulich erzählte mir die Besitzerin des famosen Kochbuch-Ladens hier ums Eck, dass sie hier seit Jahrzehnten als Vegetarierin gut lebt. Und außerdem ist – jenseits des French Quarter zumindest – New Orleans nicht nur die Stadt von Meeresfrüchten, Fisch und lange gekochtem Fleisch, sondern hat auch außergewöhnliche Mexikaner, Italiener, Jamaikaner, Vietnamesen etc.
Was ich in San Francisco gastronomisch vermisst habe, waren Außenbereiche. Die gibt es hier überall und sie sind, Golf-Klima sei Dank, fast ganzjährig nutzbar. Hier ist viel Platz und auch viel kaputt, aber eben auch mit viel Liebe wieder hergerichtet (vielleicht auf dem dunklen Foto vom Casa Borrega oben erkennbar). Die Architektur hier lädt ein, etwas Besonderes aus Grundstück und Einrichtung zu machen.
Und dann wäre da noch die Kombination Essen und Alkohol: Fast alle Restaurants haben eine gut bestückte Bar, häufig in einem separaten Raum; fast alle Bars, Vinotheken oder Clubs haben wiederum eine eigene Küche oder einen Kochplatz, der von täglich rotierenden Köchen oder Wander-Caterern besetzt wird. Und habe ich erwähnt, dass uns bislang keine schlechten Köche untergekommen sind? Du hörst also einen Pianisten, eine Jazzband, eine lokale Rockcombo oder irgendeinen Solo-Künstler mit seltsamem Instrument, trinkst günstig (Cuba Libre 4 US-Dollar!!??) und isst, was die Küche so hergibt. Zur Happy Hour – die in einigen Läden länger als ein Arbeitstag dauert – intensivieren Touristen und mancher Einheimische diese Praxis.
Die Schattenseite einer solchen Trinkkultur: Hier gibt es die Sitte, betrunken Auto zu fahren, weshalb man nachts im Verkehr höllisch aufpassen muss. Eine freundlichere Folge der Esskultur: Während in San Francisco die Jogger meist dürre Fitness-Puritaner waren, ist der Stadtpark von New Orleans ein Treffpunkt für all jene, die gegen die sichtbaren Folgen der guten Küche anlaufen.
Du bist im Paradies angekommen.
Gangsta’s Paradise (aber dazu ein anderes Mal).