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Journalismus (2/16): Medium.com und Endpunkt-Medien

Zing!

Wovon hängt der Erfolg von Medium ab? Meiner Meinung nach nur indirekt von Merkmalen wie „Qualität“, die im Journalismus-Diskurs häufig hervorgehoben werden.

Medium will sich offenbar durch Native Advertising finanzieren. Eigentlich denke ich, dass Medium von Anfang an als Exit-Play mit Twitter im Hinterkopf konzipiert war, aber lassen wir das mal beiseite.

Native Advertising funktioniert und skaliert am besten, wenn es im Stream auftaucht. Doch hat Medium einen Stream? Theoretisch ja, aber fast niemand bekommt ihn zu sehen: Medium ist ein Endpunkt-Medium. Es ist der Link, der auf anderen Netzwerken geteilt wird. Ja, es gibt ein Login und eine App, aber ich habe nicht den Eindruck, dass ein nennenswerter Teil der Nutzerschaft angesichts der vielen Content-Angebote ritualisiert darauf zugreift.

Die Wertschöpfung aber liegt am Eingangspunkt: Facebook, Google, Twitter etc. sind Eingangspunkte (Ben Thompson hat das in einem anderen Zusammenhang thematisiert). Diese Plattformen müssen sich über manche Dinge Sorgen machen, aber nicht um die Produktion von Content.

Die Medium-Strategie lautet: Möglichst viele Inhalte liefern, um zum Eingangspunkt für (gute) Texte im Netz zu werden, den Rest erledigen Netzwerk-Effekte. Der Angelhaken ist das gute CMS und die Distribution, die ich als Autor erreichen kann (verglichen mit selbstgehosteten Blogs). Als ein Eingangspunkt zu dem Text-Netzwerk des Internets wäre die Firma mit $400 Millionen sogar relativ niedrig bewertet.

Aber in einer Welt des „commoditized Content“ sehe ich das nicht: Der Markt für Texte ist von der Inhalte-Seite nicht mehr zu packen. Die Bündelung, wie sie Netflix in Video vornimmt, funktioniert wegen der Nicht-Reproduzierbarkeit von komplexen Video-Inhalten und des Komforts (= 10$ sind verkraftbar verglichen mit der Perspektive, das alles zusammenzusuchen). Die Bündelung von nutzergeneriertem Content, wie Youtube sie vormacht, wurde auch nur durch die Möglichkeit der Pre-Roll-Ad vermarktbar. Das Pre-Roll über Text heißt Banner, und es lohnt sich immer weniger.

Ich habe schon einmal über Medium als Beispiel für Medienfirmen der neuen Art geschrieben. Jenseits dessen, dass User Generated Content als Plattform nötig ist, glaube ich inzwischen, dass nicht-redaktionellen Autoren und nicht-aktuellen Themen keine Nische, sondern ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal sind. Dahinter steckt natürlich keine Philosophie, sondern die Idee, Blogger.com in Zeiten der sozialen Netzwerke nochmals aufzusetzen. Und Traffic ist (noch) primär ein Mittel der Nutzerbindung, nicht der Vermarktung. Ich habe meine Zweifel, ob das alles aufgeht (siehe oben), aber es zeigt in eine spannende Richtung.

6 Gedanken zu „Journalismus (2/16): Medium.com und Endpunkt-Medien“

    ben_ sagt:

    Sehr interessante Anlayse, die 100% Deckungsgleich mit meiner (bisher unbewussten) Wahrnehmung von Medium ist. Man stolpert da schon relativ häufig rein, aber ich bin nicht einmal auf der Startseite gewesen, käme nicht auf die Idee, mir da einen Account anzulegen und hab nicht einmal einem User dort folgen wollen …

    […] dafür sein, wenn es bis dahin nicht zu spät ist). Mittelfristig könnte man mit einer Akquise von Medium und besserer Periscope-Integration die Plattform für alle werden, die sich im Netz artikulieren […]

    […] Natürlich sind Mischformen möglich, so wie die “menschlichen” Kuratoren Einzelpersonen oder Marken sein können. Was beide Kuratierungssysteme verbindet: Sie zielen auf den Einstiegspunkt, nicht auf den Endpunkt. […]

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