Warum ist das Klima in sozialen Medien so schlecht geworden? Mein Eindruck: Weil es darum geht, Recht zu behalten und die Themen kontroverser werden, das „Recht haben“ also nochmal wichtiger erscheint. Weil es oft darum geht, wer etwas gesagt hat, nicht darum, was gesagt wurde. Das Phänomen gibt es schon länger in der digitalen Debatte und anderswo, genau wie der Komplex rund um Reputation (inklusive der Mechanismen, sie aufzuwerten, indem ich jemand anderen diskreditiere) nicht erst seit gestern vor uns liegt.
Esko Kilpis Perspektive hängt damit zusammen. Er schreibt:
„The real question here is whether modern society is in effect de-skilling people in the conduct of the practices of everyday life because of our tools. We have more machines than our ancestors, but less idea of how to use them well. We have more connections with people, but less understanding of people who are not like us. Our social tools have in a way helped to re-create tribalism: solidarity with others like yourself (in your own echo chamber) and aggression against those who differ. Tribalism involves thinking you know what other people are like without really knowing them. Lacking direct, time consuming face-to-face experiences, it is easy to fall back on fantasies and stereotypes.“
Er fordert „dialogischere Werkzeuge“, die es ermöglichen, Diskussionen ohne das Gewinner-Verlierer-Denken zu führen und einfach zu lernen. Das ist eine gewaltige, aber folgerichtige Aufgabe – denn viel von dieser Analyse sehen wir in den gegenwärtigen Konflikten und der Definition von „Individualismus“ in unserer Zeit.
Ich würde es von dieser Seite denken: Wie lässt sich ein Austausch ermöglichen, bei der ein Unbeteiligter nicht das Gefühl hat, mit einer Beteiligung seine Zeit zu verschwenden? Deutschland ist dafür mit seiner vergleichsweise geringen Verbreitung von Social Media sogar ein guter Anknüpfungspunkt. Ein Perspektivwechsel auf „das Andere“ wird natürlich nicht leichter, je mehr wir lernen, auf „das Gleiche“ zu blicken (und dafür belohnt werden). Aber könnte unsere Fantasielosigkeit nicht einfach darauf fußen, dass wir die gegenwärtigen sozialen Medien trotz ihrer noch kurzen Geschichte als Blaupause für alle möglichen digitalen Verhaltensfunktionen betrachten? Drüben bei den Netzpiloten werden ein paar Software-Lösungen für Kommentare vorgestellt, aber ich glaube, wir sind noch nicht sehr weit unter die Oberfläche gekommen.
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