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Software-Design jenseits des „Users“

Dubai, United Arab Emirates at Night (NASA, International Space Station, 02/22/12)

Die Design-Prinzipien gegenwärtiger Populär-Software stehen meist im Schatten ihres Zwecks: Die Steigerung von Messgrößen wie MAU (monthly active user), User Retention Rate oder irgendwann einmal Customer Profitability. Das ist das Wesen der Notification-Welt und des Tech-Betriebs, gerade auf Venture-Capital-Basis, und wir könnten uns im Moment eher ein Startup-Massensterben vorstellen als Konzepte jenseits von „How to hook your user“ oder „Slot Machine Psychology (Disclosure: Ich habe mal an einem Workshop von Nir Eyal teilgenommen).

Es gibt zwei Wege, über diese relativ triviale und ziemlich beengende Design-Philosophie hinauszuwachsen: Die Haken werden stumpf (was allerdings  womöglich nur schärfere Haken in Form von besser versteckten Triggern zur Folge hat) oder die Design-Community stellt das Ganze auf andere Füße.

Hier kommt Kevin Slavin vom MIT ins Spiel, der in einem präzisen Essay den Bogen über die Design-Geschichte spannt und zu dem Schluss kommt: Der Nutzer muss aus dem Mittelpunkt des Design-Denkens, weil wir durch den Fokus auf ihn die Folgen für die angeschlossenen (Öko-)Systeme und die Gesellschaft nicht erfassen. Stattdessen plädiert er für ein Design, das alle Teilnehmer berücksichtigt.

„The user made perfect sense in the context in which it was originally defined: Human-Computer Interaction. User Centric Design emphasized the practical and experiential aspects of the person at the keyboard, as opposed to the complex code and engineering behind it.
But we are no longer just using computers. We are using computers to use the world. The obscured and complex code and engineering now engages with people, resources, civics, communities and ecosystems. Should designers continue to privilege users above all others in the system? What would it mean to design for participants instead? For all the participants?“

„Wir benutzen Computer, um die Welt zu benutzen.“ Ein wichtiger Satz. Dessen Entstehung ist natürlich nicht zu denken ohne die immer lauter werdende Kritik an den ökonomisch-gesellschaftlichen Folgen, die Software wie Uber oder Amazon hat. Also den Folgen für Akteure jenseits von Betreiber und Kunden.

„Software-Design für Teilhabe“ (meine freie Übersetzung) ist noch ein sehr vages Konzept, aber die Debatte um ethisches Design entwickelt sich in die richtige Richtung und ist nur ein Teil einer größeren Diskussion über Wesen und Richtung der Digitalisierung. Wie schreibt Slavin an anderer Stelle: „We can build software to eat the world, or software to feed it.“ 

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