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Facebook und der Wandel von Ressorts zu Vertikalen

Vox Media hat ein neues Ressort/Blog für The Verge. Es heißt Circuit Breaker, beschäftigt sich mit Gadgets und der Einstiegspunkt ist: eine Facebook-Seite.

Die FB-Seite erfüllt dabei eine Doppelfunktion, wie sie typisch für die dezentralisierte Medienwelt von heute ist: Sie ist ein Einstiegspunkt für eine neue Verge-Vertikale, die ihre Entsprechung nicht auf der ersten Navi-Ebene der Homepage hat (warum auch?). Zugleich sind die Text-Inhalte selbst ein Lockmittel für Gadget-Videos, die wiederum neben der eigenen Seite auch und vor allem auf Facebook ihren Platz haben und so in möglichst viele Streams kommen.

Ressortseiten sind ein Trauerspiel, sie funktionieren auf Nachrichtenseiten fast nie wie gewünscht. Es würde aber auch fast niemand auf die Idee kommen, ein Ressort auf Facebook abzubilden – die Interessen sind zu individualisiert um schlicht alles zum Thema „Wirtschaft“ oder „Sport“ zu abonnieren. Zugleich funktionierten bislang auch Vertikale häufig schlecht, weil sie in der Homepage-Welt in Untermenüs versteckt waren und kaum jemand RSS oder Abo-Funktionen nutzt.

Facebook ändert das und legt einen wichtigen Unterschied zwischen tradierten Medienmodellen und digitalen Informationssystemen offen: Die Gruppierung nach Ressorts, eine Ableitung aus der Print-Welt, ist eine künstliche. Sie war a) der Mission der Informationsdistribution (thematisch gegliedertes Wissen über das Weltgeschehen + Ressorts zur Anzeigenplatzierung) und vor allem b) dem Format des Bundles geschuldet.

Das Bundle hat sich inzwischen aufgelöst, wir orientieren uns nach eigenen Vorlieben – unter anderem nach Spezialinteressen. Facebook als neuer Herrscher über die Distribution fördert natürlich auch diesen Aspekt der Dezentralisierung. Vox Media ist nur einer der Akteure, die diese neuen Vertikalen bedient, Buzzfeed und andere sind hier schon weit voraus. Auch deutsche Online-Medien werden sehr bald folgen. Andrei Hagiu von der Harvard Business School hat es jüngst so formuliert:

Ich erwarte zwei Marktentwicklungen für Deutschland:
a) Eine Spezialisierung der Marken und damit auch der Journalisten auf bestimmte Felder innerhalb der ehemaligen Ressorts und damit auch eine höhere Qualität der Berichterstattung.
b) Die Ablösung des „Wir bilden das Weltgeschehen minutengenau ab“ auf einer nennenswerten Zahl von Nachrichtenseiten.

Eigentlich müsste demnach das Konzept, wie es in Deutschland ab 2001 von Spiegel Online geprägt wurde, mittelfristig im Sonnenuntergang verschwinden, weil es keine Ausdifferenzierung mehr bietet. Andererseits ist Reichweite immer noch ein signifikanter Faktor und eine Sammlung von Vertikalen im kleinen Markt D-A-CH keine Garantie, genügend Menschen (ob Audience oder Membership) zu erreichen. Dem Dilemma der Endpunkt-Medien lässt sich nicht entkommen.

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