Jo Guldi und David Armitage über die Rolle der Geschichtswissenschaft in einer Zeit, in der unsere Aufmerksamkeitsspanne immer kürzer wird:
„A recent survey of some 8,000 history dissertations written in the US since the 1880s has shown that the average period covered in 1900 was about 75 years; by 1975, that had shrunk to about 30. (Matters were even worse in the UK, where PhD students had less time to undertake their research and writing than most US students, and timescales were even more abrupt.) Only in the past decade has it rebounded again to somewhere between 75 and 100 years.“
Ahistorizität lässt sich nur schwer quantifzieren, ist aber in unserer komplexen und schnellen Welt deutlich spürbar (und ich nehme da Medien nicht aus, im Gegenteil). Ein Resultat ist das, was im Amerikanischen als „Hot Takes and Buzzwords“ bezeichnet wird. Das Gefühls- oder Geschmacksurteil, das bei vielen Themen die Debatte prägt, oder auch das Urteil nach Zugehörigkeit des zu Beurteilenden.
Historisches Wissen ist komplex und steht oft im Gegensatz zu einer Informiertheit über möglichst viele Themen. Ich selbst kämpfe mit diesen Gegensätzen und habe das Gefühl, mit einem Sieb Wasser zu sammeln. Es ist ja nicht einmal klar, welches Wissen hilft – muss ich das 17. Jahrhundert in seinen Details kennen oder den Kolonialismus, die Evolution kommunikativer Instrumente oder die Entstehung der Religionen? Und dann sind noch die Mechaniken im Hier und Jetzt, die Verhaltensökonomie als bestimmende Geistesströmung oder die Volkswirtschaft im Lichte fiskaler Austerität und Quantative Easings.
Kurz, es ist ziemlich kompliziert, und dann eben doch völlig unwichtig, wenn am Ende der Geschmack das Urteil fällt. Ich hoffe immer noch, dass wir in einer Zwischenphase sind – entweder im Diskurs oder in unserem Verständnis dessen, wie dieser vernetzte Diskurs sich überhaupt organisiert.
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