In mein kleines @SZ-Stück zu Nigel Farages Gastauftritt bei Trump nicht ganz reingepasst hat eine Beobachtung: Der wichtigste Sieg der politischen Rechten ist die Besetzung des Begriffs „Globalismus„, wie ihn vor allem Trump verwendet (Farage gestern nicht verbatim, aber sinngemäß).
Globalismus ist eine Chiffre, hinter der alles Platz hat: Der Freihandel, elitäre Entscheidungsträger, undemokratische Mechanismen und auch die Fremden/Anderen, sobald sie über die Landesgrenzen kommen. Wir werden in diesen Begriff in den kommenden Jahren global von der politischen Rechten hören. Und hat er nicht auch Anknüpfungspunkte, die wir alle verstehen können?
Die Ausdehnung des Spätkapitalismus zulasten demokratischer Handlungsspielräume und Entscheidungsmöglichkeiten, Politik als Werkzeug zur Sicherung wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit, die Illusion einer Meritokratie im Schatten der Abstiegsgesellschaft: All das sind kritische Positionen, die auch das linke Lager in den Industrienationen teilen kann und deren Auswirkungen weite Teile der Gesellschaft unabhängig vom Grad ihrer Politisierung spüren.
Die bittere Ironie für die Progressiven: Ulrich Beck hat den Begriff bekannt gemacht (1997) und beschreibt damit genau jenen Unterbau des Neoliberalismus, der den Weg zu einer weiteren Vermarktwirtschaftlichung des Lebens und der Weltregionen ideologisch zur natürlichen Entwicklung erhebt. Joschka Fischer hat sich den Begriff übrigens zu Beginn seiner Amtszeit auch zu eigen gemacht.
Die bittere Ironie liegt nicht daran, dass nun etwa Beck in die Ahnengalerie des Rechtspopulismus aufgenommen werden muss (eine Ableitung, die manchen Akteuren im progressiven Lager angesichts des auf Identitätspolitik reduzierten Politik-Diskurses leider sogar zuzutrauen ist).
Nein, die bittere Ironie liegt darin, dass die Beck’sche Diagnose innerhalb fast 20 Jahren nicht zu einer nennenswerten Mobilisierung für solche Themen in die linke Mitte hinein geführt hat. Selbst seit der Finanzkrise sind schon wieder acht Jahre vergangen, doch der Rückzug auf postmaterielle Anliegen hat – gerade in Deutschland – den Blick auf das Wesentliche verstellt, auf die Verteilung von materiellem Wohlstand/Sicherheit und Teilhabe an Entscheidungen jenseits einer freien Wahl, welche Marken wir konsumieren wollen.
Wenn nun die politische Rechte den Anti-Globalismus für sich vereinnahmt, kann die progressive Antwort nicht die Verteidigung der gegenwärtigen Entwicklungen unter Versprechen kleiner Reformen sein. Die Sozialdemokratie hat mit dieser Antwort bereits die Arbeiter verloren, man blicke nur nach Frankreich, wo der Front National die „Partei der kleinen Leute“ geworden ist. Nein, die Antwort muss das Ziel einer Veränderung der (Macht-)Verhältnisse sein. Wir können es Klassenkampf im 21. Jahrhundert nennen, wahrscheinlich finden wir dafür noch ein besseres Wort.
Ich verwende den Begriff Spätkapitalismus im Bewusstsein, das etwas zu Ende geht. Globalisierung und Digitalisierung müssen nicht zwangsläufig in ein neues, globales „Gilded Age“ führen, eine sich auf Kosten der Demokratie ständig ausdehnende „Vermarktung“ der Welt. Angesichts der Automatisierung substanzieller Teile der Erwerbsarbeit bei gleichzeitig schwindenden natürlicher Ressourcen und den einsetzenden Effekten des Klimawandels ist eine Systemaktualisierung ohnehin geboten.
International, von den Sanderistas bis zu den Indignados, ist das Bewusstsein für das Grundsatzproblem der Machtverteilung in den vergangenen Jahren gewachsen und hat sich vernetzt. Dieses Bewusstsein ist es, das mich optimistisch macht, dass wir einen Weg finden, der nicht in die Rückkehr zur Vergangenheit besteht, die unter dem Label „Anti-Globalismus“ verkauft wird. Ich werde mich, sobald die US-Wahl vorbei ist, ausführlicher mit diesem Weg beschäftigen.
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