„Eine Sache können wir uns sicher sein: Der Kapitalismus geht zu Ende.“ Das steht vor Peter Frases Essay „Four Futures“ aus dem Jahr 2011. Frase ist einer der Chefs des linken und manchmal sehr lesenswerten Jacobin Mag, und im Oktober erscheint sein Buch mit Namen „Four Futures: Life after Capitalism„, in dem er seine Thesen von damals präzisiert.
In der LA Review ist bereits eine ausführlichere Kritik, die sich mit Stärken und Schwächen der Argumentation auseinandersetzt. Ich bin sehr gespannt, weil die Konzepte um vieles weitsichtiger sind als die diversen Titel rund um Diskurse wie „Wie die Digitalisierung uns zerstört“ oder „Wie Deutschland das Silicon Valley kopieren kann“. Zudem erscheint es mir eines der ersten Werke, das sich spekulativ mit der aus der Singularity-Schule stammenden Konzept von „Scarcity vs. Abundance“ (Knappheit vs. künftiger Allverfügbarkeit/Überfluss) auseinandersetzt, ohne dies als utopische Spinnerei abzutun oder als alternativlose Entwicklung zu überhöhen.
Konkret sind es diese vier verschiedenen Zukunftsversionen, die Frase vorstellt:
Materielle Allverfügbarkeit und soziale Gleichheit bedeuten Kommunismus – die Probleme des Menschen bestehen vor allem darin, wie er seinen Tag verbringt, nicht im Kampf ums Überleben. Eine Utopie, in dem die Menschheit im Angesichts des technologischen Fortschritts Altruismus lernt und ihre Probleme löst.
Soziale Gleichheit und materielle Knappheit bedeuten Sozialismus – Probleme wie Klimawandel oder die Ausbeutung der Ressourcen sind nicht besiegt, aber wir als Menschheit haben uns zumindest darauf verständigt, dies anzugehen und die Lasten zu verteilen. Die Idee einer Verständigung darauf, dass wir gemeinsam das Überleben unserer Spezies sichern. Gewissermaßen das, was wir gegen Ende des 21. Jahrhunderts unter globaler Demokratie verstehen könnten.
Das sind die beiden positiven Varianten. Doch es gibt noch zwei weitere Zukunftsversionen:
Starke soziale Ungleichheit und materielle Allverfügbarkeit bedeuten Rentism – Digitalisierung und Automatisierung sorgen theoretisch für unbegrenzte Verfügbarkeit, doch die Verfügungsgewalt liegt in den Händen einiger weniger Superreicher/Firmen, die diese Zugänge „vermieten“ („to rent“). Frases hypothetisches Popkultur-Beispiel: Ein Star-Trek-Replikator, der jedoch durch die Vermietung monetarisiert wird und so nicht dem Wohl der Allgemeinheit zur Verfügung steht. Für mich letztlich das Endstadium des von Piketty aufgezeigten Ungleichgewichts zwischen (Produktivität von) Kapital und Arbeit.
Starke soziale Ungleichheit und materielle Knappheit bedeuten Exterminismus – ein gesellschaftliches Nullsummenspiel um schwindende Ressourcen, in dem Menschen ohne „Produktionswert“ als Last gesehen oder sogar ausgelöscht werden. Sicher die umstrittenste Zukunftsversion, aber eine in ihrem Pessismus durchaus logisch erscheinende Ableitung einer hyperkapitalistischen Welt im Schatten schwindender Ressourcen und des Klimawandels.
Das Beunruhigende für mich ist, dass die letzten beiden Varianten im Jahr 2016 beinahe realistischer erscheinen. Das Beruhigende ist, das wir – um die LARB zu zitieren – die Möglichkeit haben, den Bogen der Geschichte in die gewünschte Richtung zu biegen.
Dazu hat übrigens Harald Walzer viel Lehrreiches geschrieben. Angefangen von Klimakriegen biz zu Futur Zwei.