Die USA-Troika der digitalen @SZ ist heute (Samstag) ab 16 Uhr für ein Panel des Zündfunk Netzkongresses zugeschaltet, ich habe begleitend etwas zu Social Media im Wahlkampf geschrieben. Dabei habe ich auch darüber nachgedacht, wie sich Social Media bis zur nächsten Wahl 2020 verändern könnte.
Das zu prognostizieren ist gar nicht so einfach.
Es ist ja nicht so, dass wir etwas erleben wie die langsame Verbreitung von Druckerpressen oder den Beginn des TV-Zeitalters, als es um die Ausdifferenzierung der linearer Programme und die Erfindung wiederholbarer Formate ging. Und selbst die beiden waren schwer zu vorherzusagen (Satelliten-TV, anyone?).
Social Media lebt und ist fast eine organische Angelegenheit, trotz der Funktionskontrolle durch die Plattformen. Der Lock-In-Effekt ist vielleicht bei Facebook am stärksten, das als Telefonbuch funktioniert (vgl. Ben Thompson) und sich in Richtung Terminal entwickelt – der Einstiegspunkt für die meisten denkbaren Online-Aktivitäten. Twitter ist schwer wegzudenken, aber monetisiert schlecht. Snapchat ist die erste genuin mobile Social-Media-Plattform (Instagram auch, aber nur wegen der Smartphone-Kamera), muss sich aber ständig anpassen mit der Gefahr, eingelernte Verhaltensmuster zu brechen und Nutzer zu vergraulen. Überhaupt, mobile: Wer weiß, wie sich das funktional mit Geo-Tangenten noch denken lässt.
Ein paar Trend-Skizzen:
Social Media wird privater: Ich glaube, dass Social Media eine eher gruppenorientierte Angelegenheit wird – wie eigentlich jetzt schon in FB- oder Whatsapp-Gruppen. Selbst Twitter könnte sich anders gruppieren, ich frage mich nur, wie. Es gibt einfach zu große und zu viele negative Feedback-Schleifen, zu viel Ärger. Eigentlich lässt sich die Entwicklung schon daran erkennen, wie viele Kommentare Facebook bei öffentlichen “Marken”-Postings inzwischen versteckt. Wahrscheinlich werden die Kommentare bei solchen “klassischen Content” nur noch über das Anwählen eines entsprechenden Symbols zu sehen sein. Snapchat zeigt, dass die Abwesenheit kompletter Sender-Empfänger-Transparenz ein Vorteil sein kann (zumindest, wenn es nicht um Analytics geht). Dazu geht die Entwicklung ohnehin deutlich in Richtung „packe alles in einen Chat“.
Identität wird wichtiger: Das hängt wie der obige Punkt mit Hate Speech zusammen, aber auch mit dem zu erwartenden Wettrennen mit immer besser imitierenden Bots. Identität, sei es durch “Bürgen” aus dem Bekanntenkreis oder Entzug der Verifizierung bei Etiketten-Verstößen – wird ein zentralerer Teil von Social Media. Die Grenzen dieses Ansatzes sind bei Facebook bereits sichtbar. Und natürlich gibt es auch ethische Fragen, gerade in repressiven Ländern (womöglich erleben wir eine automatisierte rechtliche Regionalisierung). Ich bin gespannt was passiert, wenn das ein deutscher Politiker vorschlägt (oder ist das schon passiert?).
Mehr Video (logo): Snapchat, Facebook, Instagram und Twitter entwickeln sich alle in Richtung Bewegtbild, ob zeitversetzt oder live. Youtube ist ohnehin daraus ausgelegt, nur schwach weiterentwickelt. Eigentlich wird Social Media also zu einem Update dessen, was heute Fernsehen ist. In den USA ist bereits deutlich spürbar, wie es sich weg vom linearen TV verschiebt, was natürlich für die Kabelfirmen keine guten Nachrichten sind.
Die Frage ist, was beim Push zu Video verloren geht (Kottke hat schön erklärt, warum Text einfach das beste Medium überhaupt ist) – und welche Lücken sich dadurch wieder auftun. Bei Video rechne ich auch weiterhin damit, dass die TKPs sinken durch das Überangebot an Content (wie auch bei Text). Irgendwann bist Du bei den Produktionskosten, wobei das zum Beispiel nicht dagegen sprechen wird, dass jemand wie Tomi Lahren 2020 eine der wichtigsten konservativen Stimmen sein wird. Ob im linearen TV, Youtube einer der Plattformen oder irgendeinem wirren Smartphone-Spinoff. VR sehe ich eher als Mini-Dialogmedium, AR vielleicht als Meme-Transporter, aber wo sollte das alles einfließen, wenn nicht in die Plattformen?
Die Bonus-Frage: Wie entwickelt sich Online-Werbung? Von Tracking über Adblocker bis zur Wirksamkeit stehen hinter Online-Werbung ziemlich viele Fragezeichen, ein Teil davon wird absichtlich kleingeredet und totgeschwiegen. Wird es zur großen Implosion kommen, zu geringerem Wachstum oder erleben wir große Fortschritte in den ? Die ganze Kontroverse um die Sichtbarkeit von Facebook-Videos (bzw. “Ab wann wird gezählt”) zeigt, dass viele Metriken ziemlich schwierig zu bewerten sind, solange sie in der Hand der Plattformen liegen. Wo es Freiheit in der Festlegung von Messgrößen gibt, wird getrickst.
Bonus-Idee: Ich glaube, wir werden deutlich weiter damit sein, uns funktionierende Soziale Netzwerke vorzustellen, die nicht nur primär Geld aus dem System extrahieren. Ob jetzt Blockchain, API oder ein Nischendienst, der Geld für Privatsphäre verlangt und trotzdem genügend Nutzer findet (lasst mich träumen, Freunde!).