Jenseits von Twitter
Ich bin sehr twittermüde. Außerdem genügen 140 Zeichen selten. Deshalb eröffne ich hier eine Art rollendes Blog mit Notizen, die ich einfach immer erweitere, wenn mir etwas einfällt (auch für meine eigene Doku). Der Titel sollte eigentlich auf den Mississippi anspielen, aber passt natürlich auch hervorragend zum Internet-Strom von Dingen und was ich herausfische. Mal sehen, ich habe einfach wieder Lust auf Bloggen mit niedriger Schwelle. (2. Januar)
Microblog
Eigentlich hoffe ich ja auf Micro.blog, die dezentrale Software von Manton Reece, dessen Kickstarter heute online gegangen ist. Dave Winer probiert auch ein paar Sachen. WordPress ist unter dem Strich ungeeignet im Zusammenkuratieren oder schnellen Reaktionsmechanismen.
Ich denke, dass am Ende alles cross-plattform ablaufen wird und hoffe auf eine Silo-Alternative mit weniger als drei Arbeitsschritten für das Teilen. Vielleicht bleibt es eine Nische, aber angesichts der diversen Energien auf FB und TWTR ist semi-öffentlich womöglich sogar ganz gut. (2. Januar)
Köln
Angesichts der – genau ein Jahr zuvor – stattgefundenden Übergriffe durch Täter aus Nordafrika sagt mir mein Rechtsverständnis, dass es sich nicht um Racial Profiling gehandelt hat. Die öffentliche „Nafri“-Klassifizierung der Polizei ist töricht. Update: Prantl ähnlich, ausführlich begründet. Die Diskussion darüber läuft (absehbar, wohl) natürlich aus dem Ruder, ihr zu folgen ist in der Summe nur Emotionskick. Aber ich erinnere kurz daran, dass es nicht zur Beschäftigung der Mehrheit der Bundesbürger gehört, Meinungen im öffentlichen Social Media abzugeben oder zu konsumieren. Ich kann nur vor der Gleichsetzung von aktiver Internetbevölkerung und Gesamtbevölkerung warnen, gerade bei Fragen nach dem Grad der Polarisierung (den Satz kann ich gleich für einige Anlässe in die Copy-Paste-Ablage packen).
Brian Eno und der deutsche Schlager
Jarvis Cocker im Gespräch mit Brian Eno war eines meiner Neujahrshighlights (beginnt ab ca. Minute 38). Sehr entspannt, sympathisch, beinahe weise und ohne jede Vorbehalte gegen Musikstile sondern alles als Teil einer Entwicklung sehend (ein sehr interessanter Exkurs in die Technologie der Musik, btw). Und wer hätte gedacht, dass die Idee für „Music für Airports“ am Flughafen Köln-Bonn entstand (als Reaktion auf schlechte deutsche Schlager, die dort liefen). Eno hat auch ein neues Album. Ich mag es und würde mir die App auch zulegen, würde sie etwas weniger als 39 Euro kosten (eine gute @SZ-Rezension von Juliane Liebert gibt es hier). (2. Januar)
Eliot Weinberger
Obama meinte einmal, dass es in manchen urbanen Gegenden einfacher sei, an eine Waffe als an ein Buch zu kommen. Für New Orleans trifft das definitiv zu, denn jenseits einiger Antiquariate gibt es hier nur wenige Läden mit überschaubarer Auswahl (und natürlich Barnes & Noble draußen in der Shopping-Gegend, eine beeindruckende Auswahl an christlicher Erbauuungsliteratur dort). Die Verbreitung von Waffen dagegen… don’t get me started. Neulich in New York deshalb froh über die Buchkultur und Läden, die Eliot Weinberger im Regal stehen haben. Wahrscheinlich der unbekannteste große Essayist von allen, und ich ich bin mir sicher, dass Daniel Kehlmanns Stil in „Die Vermessung der Welt“ auf Weinbergers federleichte Asssoziationen zurückgeführt werden kann (hier ein Stück in New Yorker über den jüngsten Sammelband). Ohnehin: Amerikanische Essays, so weit entwickelt in Stil, Anspruch und Form… (2. Januar)
Trump und UK: Freihandel?
In Deutschland bislang völlig unter dem Radar, aber in progressiven US-Kreisen aufgeregt diskutiert: Ein mögliches Freihandelsabkommen USA-UK unter Trump. Das könnte sich schon in den kommenden Wochen konkretisieren. Das Szenario: EU-Firmen verlegen ihren Sitz nach London (ohnehin anstehendes Unternehmenssteuerdumping). Das wäre ein Schlag für die EU und würde den Verbund weiter schwächen, was man natürlich durchaus als im Bannon’schen Sinne von Washington gewollt interpretieren könnte. Der designierte Handelsminister Willbur Ross hat dagegen angedeutet, dass die USA die Finanzindustrie aus London weglocken könnten im Zuge der Brexit-Unsicherheit. Allerdings ist er ein Kandidat für viele widersprüchliche Äußerungen, prognostiziere ich mal. (2. Januar)
Die Welt als Wille und Code
Zwei schöne Titel haben die Kollegen für mein @SZ-Stück über Programmierer im Kontext von Markt und Ethik gefunden. Ich rechne mit viel Feedback, weil sich fast nichts rund um Software-Entwickler verallgemeinern lässt und ich *ta-da* es sogar gewagt habe, die Frage „Was ist Programmieren?“ zu beantworten und das natürlich völlig unexakt und unvollständig. Das Thema aber, ob sich eine Zunft mit klarem ethischen Rahmen herausbildet, finde ich weiterhin sehr spannend. Ich kenne viele Entwickler, die sich über solche Dinge wirklich tiefe Gedanken machen. Andererseits habe ich auch welche getroffen, bei denen ich kein größeres ethisches Bewusstsein gemerkt habe (bzw. teilweise auch eine Fehlinterpretation des ganzen „Hacker“-Freiheitsbegriffs). Und was bedeutet das überhaupt alles im Kontext „Die Firma will…“? Ich würde das Thema gerne mal im Magazin-Stil mit langer Recherche und vielen Gesprächen umsetzen… man wird ja noch träumen dürfen.