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Trump, der „Coup“ und Angst-Pornographie

Ich bin überrascht, wie viele Menschen – inklusive ein paar Journalisten – in meinem Bekanntenkreis/Timeline-Umfeld dieses Medium-Stück eines Google-Mitarbeiters über einen angeblichen Trump-Coup teilen. Ein Stück, das bei näherem Hinsehen sehr stark auf Inuendo und Vermutungen zurückgreift, um zu seiner These von dem „Testballon für einen Coup“ zu kommen.

Unbelegte Sätze wie “you can assume that those campaign coffers are a mechanism by which US nationals can easily give cash bribes directly to Trump.” (…) Oder “Kushner looks increasingly likely to be the money-man, acting as the liaison between piles of cash and the president”, falsche Aussagen wie “it leaves the State Department entirely unstaffed” oder die problematische Zuordnung von DHS/FBI in das “Pro-Trump-Lager” (en bloc), das alles relativiert und suggeriert zugleich in Formeln wie “man kann annehmen”, “es sieht so aus” etc.  Aber David Auerbach hat das viel besser und im Einzelnen aufgeschlüsselt.

Kurz zum Verkauf des 19,5 Prozent Rosneft-Anteil, die der Autor als (mögliche, natürlich) 19 Prozent Gegenleistung für das Trump-Camp beschreibt, von denen im berühmten “Dossier” die Rede war. Erst einmal gibt es meines Wissens weiterhin keine Beweise dafür, dass irgendetwas aus dem Dossier stimmt. Dann war dort von der MAKLERPROVISION als Gegenleistung die Rede (nicht, dass 750 Millionen US-Dollar wenig Geld wären, aber es sind halt 0,5 statt 19 Prozent). Und ja, die Frage nach der Identität des Cayman-Käufers ist interessant. Nina Ivanovna hat über das Thema ausgiebig recherchiert und das viel sieht nach einem “Russland kauft sich selbst”-Deal und ein paar Sanktionsumgehungen aus. Aber nochmal – darum geht es ja gar nicht, sondern um eben diese Maklerprovision. Und da sind wir wieder beim Dossier, das in der Welt und nicht bewiesen, aber eben auch nicht widerlegt ist (aber um was geht es jetzt nochmal: beweisen oder widerlegen?). Im viralen Web kursiert jetzt allerdings ist die Botschaft: Trump plant einen Coup und ihm oder einem Strohmann könnten jetzt fast ein Fünftel eines russischen Energiekonzerns gehören, weil Putin ihn für den Wahlsieg belohnen will. Wir können davon ausgehen, dass sie in diversen Debatten als Argument hervorgekramt wird.

Das progressive Lager kann jetzt überall Hitler hervorspringen sehen und Theorien rund um Trump und die Konstruktion eines neuen Deep State weben, sollte dann aber nicht so tun, als wären nur die Konservativen Verschwörungsideen und „Fake News“ gegenüber äußerst aufgeschlossen. Es ist alles beschämend und kompliziert genug, Zusammenhänge und Einflüsse diffus. Ich kann nur raten, alles was in Richtung Spekulation, großer vereinheitlichender Theorie und Angst-Porno geht mit einer Prise Skepsis zu betrachten. Eine Erklärung könnte übrigens auch sein, dass in der Trump-Regierung schlicht Amateure/Anfänger am Werk sind (vgl. auch Tom Pepinski), die in ihrem kleinen Kreis Entscheidungen treffen, die ihnen um die Ohren fliegen, sobald sie auf die Realität treffen (ich erinnere mich an einen frühen Zeit-Online-Relaunch in diesem Stil, bei dem dann eine Agentur zur Rettung geholt werden musste, aber das ist eine andere Geschichte und soll keinen Vergleich darstellen). Aber hey, willkommen im Theater ideologischer Konfusion y’all.

2 Gedanken zu „Trump, der „Coup“ und Angst-Pornographie“

    […] Deshalb will ich auch nicht Zunger hier zitieren (auch wenn sein Text tatsächlich gut zu Aussagen von Bannon passt, er wolle „An Entirely New Political Movement“ aufbauen), sondern Johannes Kuhn von der Süddeutschen, der in seinem Blog schreibt: TRUMP, DER „COUP“ UND ANGST-PORNOGRAPHIE. […]

    […] der Demokratie (pfff) und aus der CSU/AfD-Ecke in Deutschland habe ich gestern glücklicherweise diese Gedanken hier auf der ständigen Jagd nach der aktuellsten Schreckensnachricht oder dem dazu passenden Meme […]

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