Gerade ist wieder einmal jener Phasen, in der ich mein Gastgeberland in düsteren Farben sehe. Ich habe den Eindruck, dass sich die USA in den Anfängen eines kalten Bürgerkriegs befinden. Die Wahrheit ist zur Identitätsfrage geworden und es gibt kaum noch Verbindendes. Dass Fox und andere mediale Akteure bereit zu sein scheinen, in ihrer Propaganda selbst Autoritarismus zu legitimieren, überrascht nicht, ist aber ernüchternd. Die Republikaner in Washington sind auch zu allem bereit, solange die Übertragung der Macht- und Wohlstandsstrukturen von Bürger und Staat auf oligarchische Firmenkomplexe und ihre Besitzer/Leiter weitergeht (“Werte”-Elemente sind die Kirsche auf dem Kuchen). Und die postmateriellen Progressiven verwechseln die Einordnung, zu welcher kulturellen oder sozialen Gruppe jemand gehört, mit echter Politik.
Ich glaube, dass sich mittelfristig immer mehr konservative Amerikaner mit dem anfreunden können, was ich – solange mir kein Fachausdruck in den Sinn kommt – mit materieller Apartheid beschreiben wurde: Die Abkopplung bestimmter Gesellschaftsteile (vor allem Minderheiten) von Sicherheit, Bildung, Perspektiven, Grundrechten. Also das, was strukturell ohnehin bereits angelegt ist. Ich hoffe, ich liege falsch. In den kommenden 15-20 Jahren wird dieses Land wahrscheinlich mehr und mehr zu einer losen Verbindung regionaler, gesellschaftlich und gesetzlich völlig unterschiedlicher Blöcke werden. Das ist die positive Vision. Und wohl dem, der Geld hat dort zu leben, wo er möchte.
New Orleans ist die Stadt, die ich am tiefsten in meinem Herzen trage. Sie ist eine chaotische Schönheit, inspirierend und brutal, voller Narben und Schlaglöcher, zum Sound von Musik und Gewalt tanzend. Wir haben hier einige sehr wertvolle Menschen kennengelernt. Trotzdem werden wir der Sommerhitze in Richtung südliches Nachbarland entfliehen und uns dann im September nochmal einen anderen Standort suchen. Immerhin ist dies die letzte Gelegenheit, einen weiteren American Flavor kennenzulernen, bevor unsere Zeit Ende 2018 vorbei ist. Es gäbe viel zu schreiben über New Orleans und den Süden, den ich trotz aller Probleme zu schätzen gelernt habe. Aber mehr darüber in den nächsten Tagen in ein paar Einträgen hier.
Ich überlege gerade ein neues Blog aufzusetzen, über Technologie, die wirklich der Zivilisation weiterhilft – ob Hightech oder Lowtech, ob neue Materialien oder Lifehacks für Probleme in Schwellenländern. Ein kleiner Beitrag zur Förderung konstruktiver Ideen für die gewaltigen Aufgaben, die vor uns als Menschheit stehen. Zeitgeist und die Mathematik der Aufmerksamkeitsökonomie sprechen allerdings dagegen, seine Zeit unbezahlt mit dem “Erstellen von Content” zu verbringen. Viralität und Emotionstrigger sind die bestimmenden Elemente, und das meiste in den Nischen dazwischen braucht viel Aufwand, der sich nur für wenige auszahlt – ob wir von Text, Musik, Video etc. reden. Was auch in Ordnung ist und nur das Verständnis dafür schärft, wie ich in den kommenden Jahren meine Energie investieren möchte. Nun aber erst einmal: voran!