Zum Inhalt springen

Sollten Wissenschaftler bloggen?

Der Tagesspiegel hat die Frage – anlässlich der Geisteswissenschaftler-Konferenz „kurz und gut“ – aufgegriffen. Meine Antwort hätte vor zehn Jahren „Ja!!“ gelautet, jetzt bin ich eher beim „Ja, aber…“. Was ist das „Aber“? Natürlich im Plattform-Zeitalter Relevanz und Reichweite vs. Zeitaufwand. Niemand kann damit rechnen, ein Publikum für sein Soziologie-Blog zu finden. Die beiden IMO am besten gepflegten deutschen Wissenschaftsblogs sind auch keine einzelnen Geistes- oder Sozialwissenschaftler, sondern Gruppenblogs vom Spektrum-Verlag (Scilogs) und von Fraunhofer. Mainstream-Gassenhauer sind beide nicht, aber sie versuchen, der Forschungs-Community einen Raum zu geben.

In den USA ist die Lage anders, aus drei Gründen: (1) Die englische Sprache entgrenzt das Publikum auf (fast) die ganze Welt.  (2) Der amerikanische Wissenschaftsbetrieb legt – anders als in Deutschland – Wert auf eine Mischung von Intellektualität und Verständlichkeit. Wer an der Uni ist, lernt schreiben. Aeon veröffentlicht Essays, die eher Magazin- als Fachbeiträge sind, sich nicht davor scheuen, komplex zu sein – aber eben auch nicht auf Unterhaltsamkeit verzichten. Sie übertreffen das Niveau deutscher Feuilletons stets um ein Vielfaches. (3) Gerade amerikanische Wissenschaftler sind häufig politisch und haben nicht selten ein Sendungsbewusstsein, das über das eigene Fachgebiet hinaus geht. Mein Feedreader ist voller Psychologen, Soziologen, Physiker, die Lust auf Diskurs haben. Als stellvertretendes Beispiel sei „An und für sich“ (nein, nicht deutschsprachig) von Adam Kotsko und anderen Theologen genannt. Das deutsche Universitätswesen scheint mir per se damit zufrieden, unter sich, innerhalb der Fachdebatten und weg von gesellschaftlichen Standpunkten zu bleiben. Dann braucht es sich allerdings – gerade in den Geisteswissenschaften – nicht zu wundern, wenn seine Ideen unentdeckt und die Relevanz im weltweiten Diskurs oft auf die „Provinz“ oder sogar nur das eigene Instituts-Stockwerk beschränkt bleibt.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.