Deutschland braucht ein Heimatministerium
Die geschätzte Karin Janker ist drüben @SZ nicht angetan von“Heimatminister Seehofer”, aber durchaus von der Idee, den Begriff Heimat politisch zu prägen. Als die Parteien vor einigen Monaten etwas verkrampft versucht haben, “Heimat” in ihre Philosophie einzupuzzeln, bin ich aus der Ferne nicht ganz mitgekommen. Vielleicht deshalb, weil ich ich als vorübergehender Ausländer in einem anderen Land ständig ständig mit meiner Heimat konfrontiert bin. Das kann manchmal sneaky sein, aber der Luxus, zurückkehren zu können erspart mir die ganz große Identitätsverwirrung.
Mir fehlt noch etwas die Fantasie, was die Aufgabe eines Heimatministers im Bund sein wird. Söder schien mir in Bayern ja zunächst vor allem weißblaue Bänder durchschneiden zu wollen (Update: Sebastian Beck hat drüben bei @SZ die Bayern-Blaupause erklärt). Eine Art Schatten-Infrastrukturministerium wäre organisatorischer Quatsch (oder handelt es sich um eine Art Abteilung des Bauministeriums, das ja ebenfalls bei Seehofer liegt?). Mir kommt es ohnehin beinahe französisch vor, eine Stärkung lokaler Strukturen durch Zentralisierung erreichen zu wollen. Was wiederum zeigt, dass die CSU durchaus für die “Hauptstadtisierung” der Politik zu haben ist, wenn sie dort an der Schaltstelle sitzen.
Wahrscheinlich liegt der Schlüssel zum Verständnis in jener Gefühlspolitik, die gerade weltweit Regierungsmode ist. Die Idee, Emotionen zum Teil des Politikmanagements und zu machen, um der Dynamik sozialer Entwertung auf einer weniger rationalen Ebene zu begegnen. Die deutsche Ausprägung ist der Heimatminister, die Briten haben nun eine Einsamkeitsministerin.
Viele emotionale “Heimatfragen” und Probleme in Deutschland sind für mich aber gar nicht von der Einsamkeitsfrage zu trennen: Das Ende der Mehrgenerationen-Strukturen, die Probleme in Vereinswesen und Brauchtum, die Reduktion sozialer Räume auf Konsum (Mall statt Fußgängerzone und Marktplatz), die geringen Berührungspunkte sozialer Mikrogruppen trotz unendlicher Vernetztheit und urbaner Nähe. Hier Ideen für neue Räume und Gemeinsamkeiten zu entwickeln könnte tatsächlich einige Heimatfragen nach vorne gewandt beantworten.
Aber natürlich wird man bei der Union und im Schatten der gegenwärtigen Diskursrichtungen den Verdacht nicht los, dass es sich beim Heimatministerium um einen wenig durchdachten Versuch handeln wird, eine Brücke ins gestern zu entwerfen: Heimat als Signalwort dafür, dass nur das Wenigste von dem, was in den vergangenen Jahren passiert ist (von Digitalisierung über genannte Shopping-Malls bis zur Einwanderungsdebatte) die Menschen und Regionen verändert hat.