“Gotcha” lässt sich mit “Erwischt” übersetzen und inzwischen die beliebteste Gattung der Kritik: der ohne großen Aufwand erbrachte Heuchelei-Nachweis – A sagt X, aber tut das Gegenteil davon. Oft ist gesagtes “X” oder getanes Gegenteil aus dem Zusammenhang gegriffen oder die Realität komplexer (was jeder weiß, der ein Leben lebt). Das wiederum lässt sich nicht ganz so einfach erklären.
Genauso verhält es sich mit der Trennung von Redaktion und Verlag. Und genau deshalb ist es Gift für die Glaubwürdigkeit journalistischer Verlagsprodukte, wenn die Verleger nun pünktlich zum Ende der Mindestlohn-Ausnahme für Zeitungszusteller für ein paar Jahre einen Teil des Arbeitgeber-Rentenbeitrags erlassen bekommen. “Erwischt” können jetzt wieder diejenigen unter Kommentare und Recherchen zu Gerechtigkeitsdebatten, Arbeitnehmerrechten oder der Rentenfrage schreiben. Oder gleich zu allem, was über die Große Koalition verfasst wird.
Nun können Leser solche Art von Kritik, wenn sie nicht mehr als das “Erwischt” mit ein paar Ausrufezeichen dahinter ist, in der Regel einordnen. Und doch scheint man im Verlagswesens nicht begriffen zu haben, dass gerade die Anforderungen in Sachen Glaubwürdigkeit steigen und sich das eben nicht nur auf Vergehen wie redaktionelle Werbekunden-Küngelei beschränkt, sondern auf eine Haltung zur Gesellschaft und den Verpflichtungen von Unternehmen.
Mal ganz abgesehen davon, dass Zeitungszusteller Mindestlohn und angemessene Rentenansprüche verdient haben. Neben den Nachtschicht-Druckern und Krisengebiet-Reportern haben sie vielleicht den härtesten Job im Geschäft.