Ein öffentlich-rechtlicher RSS-Reader und 29 weitere Ratschläge für ein freies Internet
Dirk schlägt drüben einen öffentlich-rechtlichen RSS-Reader vor und ich finde das fein.
Einmal, weil ich darin schon die Struktur des Kommenden erkenne. RSS als Technologie gilt als gestrig, aber das Prinzip weist in die Zukunft. Zumindest in die, die ich mir vorstelle (Achtung, Exkurs):
Ein dezentrales Netz ohne Identitätsbroker (ich verkneife mir den Block-Begriff), in der ich mir die Welt über Streams organisiere: (1) Ankommend Nachrichten-, Freundes- und Signal-Streams. (2) Ausgehend eigene Postings und Signale, Freigaben von Identitätsschichten (zum Beispiel abgestuft persönliche Interessen bis Verhalten/Ortung für die Werbevermarktung im Gegenzug für Geld oder Dienstnutzung). UI würde sich gar nicht so sehr von dem heutigen Smartphone unterscheiden, nur dass „Apps“ sehr viel unsichtbarer wären und wahrscheinlich sogar konzeptionell in etwas anderem aufgehen würden, vgl. „Tasks“ bei Home-Lautsprechern.
Doch zurück zum Öffi-RSS: Es gibt drei Punkte, die mir in Sachen Umsetzung eingefallen sind. Das eine ist, die Notwendigkeit, ihn zu begründen – Dirk macht das ja drüben, aber natürlich genügt es nicht, dass er zur Europäischen Rundfunkunion nach Genf geht und dort an die Tür klopft. Vielleicht wird die Idee ja Teil eines größeren Aktivisten-/NGO-Aufschlags zum Schutz des Web (bin gespannt, was zum 25. WWW-Geburtstag Ende April aus dieser Ecke kommen wird).
Die Notwendigkeit ist aber natürlich auch an die Distribution geknüpft. Das WWW explodierte ja (auch) deshalb, weil Microsoft als Reaktion auf Mosaic/Netscape den Internet Explorer standardmäßig in Windows installierte. Da kommen wir beim Öffi-RSS – dessen Software sich ja nicht groß von Privatangeboten unterscheiden und nicht unbedingt durch Netzwerkeffekte exponentiell wachsen wird – schnell zu Marketing-, Markt- und Missionsfragen.
Damit hängt natürlich auch die Praxis zusammen, in Deutschland im Rundfunkstaatsvertrag geregelt, bis zum kleinsten Strichpunkt umkämpft und europaweit immer stärker unter Druck. Infrastruktur gehört (vielleicht gibt es kleine Ausnahmen) nicht zu den ÖR-Aufgaben, sondern ist Mittel zum Zweck, eigenen Content auszuliefern (von Sendetechnik bis Mediathek). Hier zeigt sich das Problem, die Digitalisierung zu verstehen: Software könnte ein Mittel zur Erfüllung des Informationsauftrags sein, aber ÖR definiert sich eben als Content-Produzent und steckt darin erst einmal fest. Einen ähnlichen Fehler haben in den vergangenen 10-15 Jahren ja viele Printverlage/Medienhäuser 1 gemacht, weshalb die Veränderungen in nächsten zehn Jahren ziemlich… aber lassen wir das.
Ergänzung: Okay, es ist nur ein blöder RSS-Reader, vielleicht mach‘ ich die Sache ein bisschen zu kompliziert. Aber die Sache mit den Öffentlich-Rechtlichen IST kompliziert, politisiert und was auch immer.
1 Fairerweise: Ein paar von ihnen haben es versucht, nur wenige davon erfolgreich. Axel Springer wäre der einzige deutsche Verlag, der die technologische Reputation hätte, den RSS-Reader als Dienstleister umzusetzen, aber medienpolitisch spielen da natürlich andere Konflikte rein, jenseits der Frage, ob die Umsetzung in öffentlicher Hand bleiben sollte.