„Hinter Trumps Rückzug aus dem Abkommen, der eigentlich ein Vertragsbruch ist, steht das Kalkül, dass maximale wirtschaftliche Sanktionen Iran in die Knie zwingen werden, wenn sie nicht sogar zu einem Kollaps des Regimes führen – das ist Boltons offen erklärtes Ziel. Und niemand sollte Zweifel haben, dass er bei einer Eskalation schnell bei der Hand sein wird, mit Militärschlägen zu drohen.
Diese Denkweise verkennt zutiefst, wie die Islamische Republik funktioniert. Ja, die iranische Währung, der Rial, ist im freien Fall und viele Iraner sind unzufrieden. Aber Trump spielt mit seiner Entscheidung nur den Hardlinern in Teheran in die Karten. Das Regime hat sich gut gewappnet gegen mögliche Aufstände, und die meisten Iraner wollen mit dem Blick auf die blutigen Umbrüche überall in der Region keinen Umsturz, sondern graduelle Reformen. Und schon gar nicht wollen sie von Boltons Einflüsterern bei den Volksmudschahedin regiert werden, einer obskuren Gruppe von Exil-Iranern in den USA. Wenn der Druck nicht mit einem für Iran attraktiven Angebot verbunden ist, wird Teheran darauf nicht reagieren.
Aber Bolton und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu haben sich ja beim amerikanischen Einmarsch im Irak 2003 auch schon als weitsichtige Propheten erwiesen: Sie sagten voraus, der Sturz Saddam Husseins werde dazu führen, dass der Nahe Osten demokratisiert werde und sich dem Westen zuwende. Damals hatte Ahmed Tschalabi das Ohr der Falken in Washington, ein obskurer Exil-Iraker. Tatsächlich war die zentrale geopolitische Folge der regionale Aufstieg Irans, den Bolton und Netanjahu beide nun lauthals beklagen und als alleinige Folge des Atomabkommens darzustellen versuchen.“
Trumps Falken treiben den Nahen Osten in die nächste Krise
So wie es keinen Plan für das danach gibt, existiert hier aus Trumps Sicht kein größeres „Warum?“. Er hat ein Versprechen aus dem Wahlkampf erfüllt. Zu einem Thema, das er nicht durchblickt, sondern bei dem er dem folkloristischen Iran- und Obama-Hass der Konservativen folgt, angetrieben von den Boltons, Netanjahus und Pompeos.
Hat er etwas zu verlieren? Er hat ja kein Interesse an dem, was über ihn selbst hinausgeht. Ein nukleares Saudi-Arabien? Wird Trump nicht mehr erleben. Handelsstreit mit der EU? Gab es eh schon. Ein zerbröckelnder Naher Osten? Weit weg, jenseits des Bündnisses mit Israel kein amerikanischer Verantwortungsbereich. Ein paar Bomben auf Iran? Können sogar innenpolitisch hilfreich sein. Höherer Ölpreis? Gut für die amerikanische Fracking-Branche.