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Seenotrettung

 Leben oder Sterben lassen

Nur in aller Kürze: Die Verkaufe der Zeit war fahrlässig, das Format problematisch. Die Debatte über das Thema selbst ist legitim und es ist bitter, dass die Reduzierung einer nicht nur moralisch komplexen Angelegenheit auf „Privatrettung, Daumen hoch, Daumen runter?“ mehr Aufmerksamkeit geschaffen hat, als alle fundierten Briefings im Economist-Stil sie hätten erreichen können. Inhaltlich hat mich die Kombination aus beiden Stücken schlauer gemacht. Mariam Laus (Contra)-Argumentation ist allerdings gelinde gesagt sehr wackelig, nicht nur wegen der Bürgerwehr-Vergleiche, siehe auch das oben verlinkte Stück dazu von Christian Jakob. Den kann ich ohnehin dazu immer empfehlen.

Meine Perspektive als interessierter Laie: Die zivile Seenotrettung ist eine Reaktion darauf, dass die EU 2015 „Mare Nostrum“ auslaufen ließ und Frontex vor allem auf Abschreckung und kleinere Radien setzt. Man darf der EU dabei die moralische Teil-Privatisierung eines Problems unterstellen.

Wenn wir von der Mitnahme von Bootsflüchtlingen kurz vor der libyschen Küste reden, sind wir aber bei der Frage, ob diese zivilgesellschaftlichen Missionen den Schleppern das Geschäft erleichtern (der Umkehrschluss, dass ohne diese Fahrten weniger Menschen kommen würden, gilt IMO nicht zwangsläufig). Solange jedoch Frontex – wie aktuell in der Mission Themis – die Gefahrenabwehr betont und die staatlichen Akteure solche Lücken lassen, scheint mir zivile Seenotrettung grundsätzlich notwendig. Es sei denn, wir wollen Menschen ertrinken lassen, um andere Menschen abzuschrecken. Eine inakzeptable Haltung, die allerdings in der europäischen Grenzpolitik der vergangenen Jahren immer wieder implizit mitschwang und von Teilen der politischen Rechten kaum noch verhüllt wird.

Wie also weiter? Libyen fällt als sicherer Hafen aus, da wird es eher beim verdeckten Minglen mit Frontex bleiben. Theoretisch könnten wir mittelfristig so etwas wie von der EU beaufsichtigte Schutzzonen in tunesischen Hafenstädten sehen, wo die Schiffe dann einlaufen können. Womit wir aber wieder bei der alten Frage in der Flüchtlingsdebatte sind: Warum sollte ein Land, in diesem Fall Tunesien, sich zu so etwas bereit erklären? (Die Antwort lautet wahrscheinlich: Geld und Garantien.)1

Im Kern, da hat Lau recht, ist zivile Seenotrettung also leider wirklich eine politische Frage. Das sollte sie nicht sein. Aber um das zu erreichen, müsste Seenotrettung so aussehen, dass sie nicht zwangsläufig Migration nach Europa bedeutet.

1 Wenn eine solche Schutzzone die Möglichkeit zum Asylantrag vorsieht, müsste es nationale europäische Verteilungskontingente geben, nehme ich an. P.S. Das ganze wichtige Thema „Schlepper & organisiertes Verbrechen auf beiden Kontinenten“ habe ich jetzt mal ausgeklammert.

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