„Im Jahr 1893 gewannen Kandidaten, die den Antisemitismus zu ihrem Kernprogramm erklärt hatten (die Hälfte von ihnen bezeichnete sich auf den Stimmzetteln ausdrücklich als Antisemiten), sechzehn Sitze im Reichstag. Sie alle stammten aus ländlich-protestantischen Regionen Preußens, Sachsens und Hessens. Was folgte, ist eine Lehrstunde für jedes Land mit einer lärmenden radikalen Minderheit.
Diese sechzehn Sitze als solche hatten kein besonderes Gewicht. Doch die Deutschkonservative Partei, der politische Arm des preußischen Junkertums, geriet bei jedem Angriff auf ihre Machtbasis in Panik und erklärte es deshalb im Tivoli-Programm von 1892 zur offiziellen konservativen Politik, ‚den vielfach sich vordrängenden und zersetzenden jüdischen Einfluss auf unser Volksleben‘ zu bekämpfen. Offener Antisemitismus war nun auch in den höchsten Kreisen salonfähig.“
Aus James Hawes: „Die kürzeste Geschichte Deutschlands“, Seite 179.