„Das historische Datenmaterial scheint in den vergangenen Jahrtausenden einen Pinker’schen Trend Richtung des moralischen Fortschritts zu zeigen – das ist das Signal. Aber dann gibt es das wachsende Ausmaß moralischer Katastrophen, das sowohl der Technik als auch größeren Formen sozialer Ordnungen geschuldet ist – das ist das Rauschen. (Oder vertausche ich Signal und Rauschen?) Wenn ich mir die nähere Zukunft ansehe bin ich recht zuversichtlich, dass wir gegenwärtige barbarische Praktiken wie die bestrafende Einkerkerung von Menschen oder den Missbrauch von nicht-menschlichen Tieren in Fabrik-Landwirtschaft beenden werden. Aber ich bin nicht willens, den Bogen der moralischen Fortschritte in die fernere Zukunft hochzurechnen, im Gegensatz zu einigen lotus-essenden Visionären.
Es gibt ein abstraktes, quasi-evolutionäres Argument, dass sich moralischer Fortschritt für immer fortsetzen wird. Er beruht auf der Beobachtung, dass in Computer-Simulationen von abgewandelten Gefangenen-Dilemma-Spielen sich die kooperierenden Einheiten gegen die schummelnden Einheiten durchsetzen. Daraus, so das Argument, lässt sich ableiten, dass unsere sehr weit entfernten Nachfahren extrem nett zueinander sein werden. Seit dem Auftauchen unserer Spezies sind schon ungefähr 50 Milliarden Menschen entstanden. Wie viele mehr von uns wird es geben? Nach dem kopernikanischen Prinzip – wonach wir Menschen, die jetzt gerade existieren, wahrscheinlich nicht ‚besonders‘ sind, verglichen mit den allerersten oder den allerletzten Menschen, die jemals existieren – können wir mit 95-prozentiger Sicherheit sagen, dass es von uns nicht mehr als weitere zwei Billionen geben wird. Wenn wir annehmen, dass die Bevölkerung auf der Erde sich bei ungefähr 10 Milliarden stabilisiert, bedeutet das, dass die menschliche Spezies innerhalb der nächsten 20 Jahrtausende aussterben wird, oder sogar schneller, wenn wir unsere Zahl von Generationen erweitern, indem wir andere Planeten übernehmen. Und wenn ich schätzen müsste, würde ich sagen, dass unser wahrscheinliches Aussterben selbstzugefügt sein wird und kein kosmischer Unfall. In anderen Worten: Es wird, kollektiv gesprochen, unser eigener Fehler sein. Und das ist ein schwerwiegendes moralisches Versagen.“
Ich liebäugle immer wieder mal damit, ein Interview mit Jim Holt zu machen. Aber er würde die Leser und mich womöglich über den Rand der argumentativen Vorstellungskraft hinaus in den Abgrund führen.
Vielleicht kann er Dir dort das „Nichts“ zeigen, von dem er bereits sehr unterhaltsam schrieb 😉