Goldilocks and the bear
The Future of Capitalism, Paul Collier ($)
US-Rep. Joe Kennedy: Democrats should embrace „moral capitalism“
The next capitalist revolution
Anzeichen für die Lösung eines Problems finden sich weniger an der Vehemenz von Forderungen aus der Meinungswelt, jemand (oft: die Regierung) solle jetzt endlich etwas (bleibt in der Regel unspezifisch) tun. Vielmehr sind sie oft dort zu sehen, wo ein Umdenken in Fach und Politik soweit fortgeschritten ist, dass Reformvorschläge auch aus dem Kreis der Überzeugten einer (problematisch gewordenen) Idee kommen.
Dass der US-Abgeordnete Joe Kennedy jüngst einen „moralischen Kapitalismus“ forderte ist insofern ungewöhnlich, als er zum systemischen „Wird-schon-wieder“-Flügel der Demokraten zu zählen war. Einer nicht unwichtigen Partei im vom Kapitalismus am überzeugtesten Land der Welt. Der Economist als Zentralorgan der globalen Intelligentsia wiederum fordert anlässlich eines seiner Sonderberichte nichts weniger als eine „Revolution des Kapitalismus“ – in Form von weniger Zugangshürden, weniger Marktkonzentration und einer Patent- und Urheberrechtsreform. Und der Ökonom Paul Collier schließlich hat ein ganzes Buch mit Ideen vorgelegt, wie der Kapitalismus zu reformieren ist; darunter sind Vorschläge wie stärkere Haftung für Bankchefs, eine hohe Besteuerung künstlicher Ertragssteigerungen („rent-seeking“) und eine fundamentale Verpflichtung zum Handeln, das Vorteile nicht nur für die eigene Organisation sucht (siehe: Kennedys „moralischer Kapitalismus“).
Allen Ideen gemein ist, dass sie keinen einzelnen großen Wurf in Form des „der Staat muss es regeln“ verlangen (was angesichts der Schwäche von Nationalstaat und Multilateralismus pragmatisch erscheinen kann) und dass sie auf die indirekten Folgen setzen, die ein höherer moralischer Anspruch ebenso zeitigen soll wie eine Rückkehr echter Märkte in unsere allzu etabliertenfreundliche und oft oligopolartig strukturierte Marktwirtschaft. Das ist angesichts der gegenwärtigen Verhältnisse konservativ, in einigen Punkten als Inkrementalismus wohl nicht ausreichend, aber dafür vielleicht machbar. Für mich signalisiert es zumindest, dass Veränderungen wahrscheinlicher werden und der Druck dazu von innen und außen wächst. Im zehnten Jahr nach Ausbruch der Finanzkrise und angesichts unserer schrumpfenden Distanz zu Demokratie-Kipppunkten kommt diese Botschaft keinen Moment zu früh.