Ich habe Heather Havrileskys Essayband („What If This Were Enough?“) dieses Jahr mit großem Genuss gelesen, auch wenn der Spätkapitalismus ein trostloses Thema ist. Ein Auszug:
„Viele von uns lernen, eine klare und präzise Vision von dem zu konstruieren, was wir wollen. Aber uns wurde niemals beigebracht, wie wir das genießen, was wir wirklich haben. Es wird immer mehr Siege geben, um die es zu kämpfen gilt; mehr Fremde zu überzeugen; mehr Bilder zu sammeln und an unsere Visionstafeln zu hängen. Es ist hart, das zu wollen, was wir haben; es ist einfacher, alles auf der Welt haben zu wollen. Das ist also, wie wir heute leben: Wir stopfen uns bis obenhin voll, aber irgendwie macht das uns nur nervöser, verwirrter und hungriger. Wir rasen nach vorne – manisch, unzufrieden und im Dauerzustand der Verlorenheit.
Unser verwirrter Zustand verletzt uns nicht nur individuell; er behindert unsere Fähigkeit, zusammen an einer besseren Welt zu arbeiten. Wir können nicht für Gerechtigkeit aufstehen und Veränderungen beeinflussen, solange wir nicht gelernt haben, leere Versuchungen, schillernde Wegweiser in die Sackgasse und banale Ablenkungen fortzustoßen. (…)
Vor dem Hintergrund dieser Landschaft gilt es alles zu feiern, was die Wildheit und Komplexität der menschlichen Seele feiert. Das gilt global, in Lebensgemeinschaften, und es ist wahr in einem einzelnen Menschen. Das Gegenmittel für eine Welt, die uns kranke Geschichten über uns selbst erzählt und uns das Gift einträufelt, uns hilflos zu fühlen, ist der Glaube an unsere eigene Welt und unsere Community und an uns selbst. Wir müssen wieder mit dem in Verbindung treten, was es heißt, menschlich zu sein: zerbrechlich, furchtbar fehlbar und ständig Demut lernend. Wir müssen an die widersprüchliche Natur der Menschheit glauben und sie umarmen.“
„Es ist genug“, schreibt sie am Ende. Und meint dabei uns alle und uns selbst. Wir genügen uns, um uns aufeinander zu bewegen zu können.