Mein letzter Beitrag drehte sich am Ende um die Frage, ob in der Klimakrisen-Politik mittelfristig auch die Bereitschaft liegt, einer autoritäre(re)n Versuchung nachzugeben. David Runciman („How Democracy Ends“) äußert diesen Gedanken in der dritten seiner Vorlesungen zur Zukunft der Demokratie ebenfalls, aber betrachtet die Angelegenheit eher im Kontext „andere Demokratieformen“ (die 37 Minuten sind gut investierte Hörzeit).
„Ich sage nicht, dass Demokratie verantwortlich ist, das getan hat – den Planeten verspeist und ausgepuckt hat. Aber Demokratie hat es auch nicht gestoppt. Vielleicht, weil die Sicherungsmechanismen der Demokratie existieren, um gegenwärtige Generationen zu vor den Politikern und politischen Systemen zu schützen, die sie ausbeuten könnten. Es gibt in der 250-jährigen Geschichte kaum Hinweise, dass diese Mechanismen die künftigen Generationen oder das in der Natur Vorhandene schützen. Dafür sind sie nicht konzipiert.
Aber wenn diese beiden Dinge Schutz benötigen, dann könnte es sein, dass die mittellange Geschichte der Demokratie [seit 250 Jahren, joku] ans Ende ihres nutzvollen Lebens kommt. Ein noch ernüchternder Gedanke: Die Sache, die wir ‚globale Erderwärmung‘ nennen (…) – das meiste davon ist in den vergangenen 50 Jahren passiert, also auf der kurzfristigen Zeitachse der Demokratie (50 bis 100 Jahre), und schlicht gesagt das meiste gerade durch die Demokratien der Welt – weniger jetzt, aber der Aufstieg Chinas hat erst kürzlich begonnen.
Noch einmal: Ich glaube nicht, dass Demokratie das getan hat, dass Menschen für Parteien gestimmt haben, die (…) in ihrem massenmedial verbreiteten Programm stehen hatten ‚Wählt uns, wir machen unsere Erde viel heißer‘. Aber sie haben es nicht verhindert. Es gibt nichts in dieser 50 bis 100-jährigen Geschichte, das als Beweis dienen könnte, dass diese Art Politik die Erderwärmung und eine sich dadurch verändernde Welt aufhalten kann.
Daraus muss nichts folgen. Wir könnten es immer noch aufhalten. Uns anpassen. Aber für mich bekräftigt es den Gedanken, dass die Dinge, die wir für die ganze Geschichte halten, a) nicht die ganze Geschichte sind und b) vielleicht nahe ans Ende ihres nützlichen Lebens geraten.
Aber es gibt noch (…) die lange Geschichte, die nicht so schnell vorbei ist. Es wäre seltsam, wenn wir oder unsere Kinder oder Enkel die Generation wären, die die Vorstellung sterben sieht, dass Menschen politisch gleichberechtigt sind und fähig sein sollten, kollektiv über ihr Schicksal zu bestimmen. Denn diese beiden Ideen gibt es lang genug, dass sie aller Wahrscheinlichkeit noch ziemlich viel Leben in sich haben. Und sie scheinen mir geeigneter, die Dinge anzugehen, mit denen die mittlere und kurzfristige Form der Demokratie Probleme hat. (…) Wir vergessen, dass es ganz andere Formen der Demokratie gibt, andere Möglichkeiten, mit denen Menschen sich als gleichberechtigt behandeln und Kontrolle über ihr Schicksal erlangen, die nicht den Mustern der vergangenen 50, vielleicht sogar 100 oder womöglich sogar 200 Jahre folgen. Es ist schwer, sich das vorzustellen, so wie es schwer war, sich den Fall der Berliner Mauer vorzustellen. (…) Und dann passierte es und die Menschen gewöhnten sich daran, dass wir in einer Welt ohne Berliner Mauer leben. Aber für eine Zeit fühlte es sich an, als würde die Berliner Mauer die Welt zusammenhalten, auch wenn sie das nicht tat.“
Siehe auch:
Entscheidungsmaschinen+
Grausamer Optimismus
Im Klimawandel
Menschengemacht